: Bring Farbe in dein Leben
■ Blohm und Voss machen ihrer Nichte eine Freude und begleiten sie zu DJ Bobo
Man hat sich in die nördlichste aller Bremischen Stadthallen begeben. Die Herren Blohm & Voss erweisen sich erneut als die Güte in Person. Weil seine Schwester und sein Schwager sich partout weigerten, ihre 12jährige Tochter zum Konzert von DJ Bobo zu begleiten, bot sich Voss, zwecks Vermeidung von Familientragödien, an, seine Nichte zu begleiten. Dr. Blohm kommt mit und so finden sich die drei nach einem Bummel über den Bremerhavener Frühlingsmarkt Punkt acht Uhr in der Halle ein.
Voss: So, ein Bier für den Doktor und eine Cola für dich.
Laura: Die ist ja warm.
Dr. Blohm: Aber es sind doch Eiswürfel drin.
Laura: Die sind auch warm.
Die Vorgruppe beginnt zu spielen. Die drei schlendern durch den noch nicht allzu vollen Innenraum.
Voss: Laura, kennst du die Band?
Laura: Ja, nee, weiß nicht.
Dr. Blohm: Es soll sich um Rockmusik handeln. So steht es auf dem T-Shirt des Schlagzeugers. Da steht noch was...
Voss: Surrogat. Also kein Rock?
Die Bühne hat sich geleert. Dr. Blohm, Voss und Laura stehen hinten, ein weiteres Kaltgetränk in der Hand. Ein Mann betritt die Bühne. Mann: ...und bevor es richtig los geht, schalten wir nochmal live Backstage...
Voss: Ist doch nett. So können sich die jungen Leute ein Bild machen, wie das alles funktioniert.
Otto Waalkes erscheint auf der Leinwand. Man sieht ihn gegen die Wand der Tänzerinnen-Garderobe laufen. Lachen. Lauras Gesicht zeigt ein schiefes Grinsen. Sie nippt an ihrer Cola, als es kracht. Auf der Bühne: DJ Bobo inmitten seines Tanzensembles.
Dr. Blohm: Krawumm. Was ist denn das für ein Konzert? Keine Band. Ich dachte, Herr Bobo wär ein DJ. Ich erinnere mich da an...
Voss: ...Run DMC, ich weiß, Sie sagten das schon. Es ist nicht leicht, das zu erklären. DJ Bobo heißt zwar DJ, ist aber eigentlich keiner...
Laura: Oh Mann. Der ist natürlich ein richtiger. Ach, ich geh mal besser nach vorne. Wir treffen uns nachher wieder hier.
Voss: Aber... Weg ist sie. Mit Hip Hop hat das hier jedenfalls nichts zu tun. Bobo kommt aus der Schweiz.
Dr. Blohm: Ist wohl noch nicht bis ins Gebirge vorgedrungen. Großstadtkultur. Aber die Sänger heißen doch eigentlich anders.
Voss: MC, was soviel bedeutet wie Zeremonienmeister.
Dr. Blohm: Das ist Herr Bobo gewiss. Die Schweizer haben ja seit jeher eher minimalistische Kunst hervorgebracht. Ich denke an Autoren wie Frisch oder Bichsel. Das hat etwas merkwürdig Verqueres.
Voss: Dafür bin ich nicht gebildet genug.
Einige Tänzer tragen rote Fahnen über die Bühne.
Dr. Blohm: Und das soll jetzt wahrscheinlich eine politische Aussage sein. Zu dieser Stampfmusik. Lächerlich.
Voss: Ereifern Sie sich nicht zu sehr. Ihre Zähne.
Dr. Blohm: Bitte?
Voss: Draußen hing ein Schild, dass für Körper- und sonstige Schäden der Dritten keine Haftung übernommen würde.
Dr. Blohm: Sehr amüsant, Voss. Meine Zähne sind bestimmt in besserem Zustand als die Hirne derjenigen da vorne.
Voss: Nur nicht so pessimistisch. Die Musik gefällt mir auch nicht. Aber die Leute haben Spaß, das ist doch die Hauptsache.
Dr. Blohm: Wundervoll. Und merken gar nicht, wie man ihnen das Geld aus der Tasche zieht. Sie reden wie der Herr Bobo. Alles bunt, Freedom und alles wird gut...
DJ Bobo: ...um den ultimativen Rhythmusbeweis zu erbringen, brau-che ich einen Mikrofonständer.
Dr. Blohm: Wieso Beweis. Mit der Marschmusik hat's doch bis jetzt auch prima geklappt.
DJ Bobo klatscht und stampft simple Rhythmen vor, die vom Pubikum wiederholt werden.
Voss: Das hat doch damit nichts zu tun. Sehen Sie, sogar die Eltern machen mit.
Dr. Blohm: Eben.
Der Bühnenhintergrund fällt, dahinter erscheint eine noch größere Bühne. Im griechischen Stil.
Voss: Das ist doch eine nette Idee. Alles ganz anders diesmal. Können Sie lesen, was dort an der Tempelwand steht?
Dr. Blohm: Leider nicht. Wer weiß, was noch kommt. Wenn sie zum Schluss die Stadthallenwand wegsprengen würden, ließe ich nochmal mit mir reden. Aber das wird wohl nicht passieren.
Voss: Wohl nicht. Aber jetzt kommt ein Artist. Sieht zwar albern aus, was der treibt, ist doch vom technischen Standpunkt aus...
Kurz danach stehen die drei vorm Merchandisingstand. Man hat Laura etwas versprochen, weil sie nicht frühzeitig wegwollte.
Voss: Siehst Du, wenigstens kannst Du so in Ruhe gucken.
Laura betrachtet die Fanartikel.
Voss: Schauen Sie mal. Hier gibt's das Modell eines Tournee-Trucks. Dr. Blohm: Wenn ich mir das Publikum so anschaue, geht das wohl ein bisschen an der Zielgruppe vorbei. Ich verstehe sowieso nicht, warum...
Voss: Sonst hätten wir wohl bleiben müssen. Laura, deine Mutter ist ja mehr für's Praktische. Wie wär's mit einer Regenjacke. Da ist DJ Bobo auch drauf.
Die drei sitzen im Auto. Aus dem Radio: „...leider können die Babylonier nicht klatschen und tanzen.“
Dr. Blohm: Auf der Karte steht, es gibt eine DJ Bobo Holiday Factory. „Tanzen wie DJ Bobo auch im Urlaub.“ Was für ein Schwachsinn. Voss: Sie haben doch bald Geburtstag. Ich könnte Ihnen ja einen Kurs schenken.
Dr. Blohm: Schenken sie mir lieber ein Bier wenn wir zurück sind. Voss: Vielleicht tanzen sie ja dann auf den Tischen.
Dr. Blohm: Wie lange kennen wir uns jetzt?!
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