Ein ehrgeiziger Antikonformist

Walter Veltroni, Vorsitzender von Italiens Linksdemokraten, will Roms neuer Bürgermeister werden

Bürgermeister einer großen Stadt werden, um sich damit für politische Ämter auf nationaler Ebene zu empfehlen: Das ist der normale Weg, den viele gehen, der Weg, den zuletzt in Italien Francesco Rutelli einschlug. Doch sein Aspirant als Nachfolger im Rathaus von Rom hält es genau umgekehrt. Walter Veltroni ist schon ganz oben. Er ist seit 1998 der Vorsitzende der Linksdemokraten, der größten Partei im Mitte-Links-Bündnis. Diesen Job hängt er jetzt an den Nagel, um es noch mal als Kommunalpolitiker zu versuchen. Hintertürchen hat er sich dabei nicht offen gelassen: Sollte er im zweiten Wahlgang am 27. Mai gegen den Rechtskandidaten verlieren, dann werden ihn die Italiener als Oppositionsführer im römischen Stadtrat wiedersehen.

Schon mit 21 Jahren saß Veltroni für die Kommunistische Partei im Stadtrat; von hier aus begann er eine Karriere, die ihn schnell in höchste Parteiämter beförderte. Vorsitzender des Jugendverbandes, ZK, Vorstand, dann „Sekretariat“, d. h. engster Führungszirkel der Partei – Veltroni war ungefähr genauso schnell wie der wenig ältere Massimo D’Alema. Dabei verkörperte Veltroni – im Gegensatz zu D’Alema – nicht den klassischen Parteifunktionär. Abends saß der junge Spund im Stadtrat, tagsüber wirkte er als Regieassistent bei einem Fernsehfilm mit und studierte an der Filmhochschule in Cinecittà. Aus der Kinokarriere wurde dann nichts, weil die Politik rief. Bis heute aber kokettiert Veltroni mit seinen alten Leidenschaften und nutzt sie, um sich als Politiker zum Anfassen zu präsentieren. Während D’Alema und die anderen KP-Funktionäre politische Wälzer verfassten, schrieb der Juventus-Fan Veltroni ein Fußballbuch und veröffentlichte gleich zwei Bände mit seinen gesammelten Filmkritiken. Und wenn er politisch wurde, dann am liebsten in der Rolle des Guten, der für alle ein herzliches Lächeln hat und seine Freundschaften vor allem in der Welt der Kultur sucht, bei Roberto Benigni, bei den Liedermachern Antonello Venditti und Francesco De Gregori.

Ziemlich unüblich für einen Kommunisten war auch die früh kultivierte Liebe zu Amerika. Schon 1981 veröffentlichte Veltroni ein Bändchen mit den Reden Robert Kennedys. Als die Partei dann die alte Ideologie ad acta legte, trieb es der USA-Fan auch für viele seiner Anhänger zu weit: Veltroni erklärte rundheraus, „nie im Leben“ sei er Kommunist gewesen und nie habe ihm der Ostblock gefallen – obwohl er seine Frau auf den Weltjugendfestspielen in Berlin kennen gelernt hatte.

Hinter der Fassade des freundlichen Antikonformisten aber steckt ein eiserner Karrierewille, aufgrund dessen Veltroni seit 1994 einen Dauerzweikampf mit D’Alema führt. 1994 verlor Veltroni das Duell um die Parteiführung. Er errang sie erst, als D’Alema 1998 ins Amt des Ministerpräsidenten wechselte. Der Kleinkrieg zwischen den beiden Größen der Linksdemokraten setzte sich jedoch fort. Vielleicht ist er dessen nun müde geworden. Viele sind jedenfalls überzeugt, dass Veltronis Kandidatur als Bürgermeister Roms einen geordneten Rückzug darstellt. Schließlich sind seine schönsten Erinnerungen an die Zeit geknüpft, als er sich unter Ministerpräsident Romano Prodi um Italiens Kultur kümmern konnte – und dazu wird er als Bürgermeister der Ewigen Stadt reichlich Gelegenheit haben.

MICHAEL BRAUN