DIE VERFASSUNG FÜR DAS KOSOVO STÄRKT ALBANER UND MINDERHEITEN: Kosovo bleibt ungeteilt
Es ist eine zukunftsweisende Entscheidung der UN-Mission: Endlich wird es eine vorläufige Verfassung („Konstitutiver Gesetzesrahmen“) für das Kosovo geben. Er beendet für die Bevölkerung den unerträglichen Zustand, von den Entscheidungen über alle Bereiche des Lebens ausgeschlossen zu sein. Mit dem Wahltermin, dem Parlament, den Selbstverwaltungsorganen und den Gerichten wird der Gesellschaft die Möglichkeit gegeben, selbst Verantwortung zu übernehmen.
Nicht zuletzt die Kosovo-Albaner werden davon profitieren. Denn das im Ausland gemalte Bild von den korrupten Mafiabossen, die die Minderheiten im Lande verfolgen und in dunklen Geschäften mitmischen, konnte nur in einer Situation entstehen, in der die Parteien des Kosovo gar keine Möglichkeiten der Kontrolle hatten. Mit den neuen politischen Institutionen wird eine Vertretung des Volkes geschaffen, die in Zusammenarbeit mit den internationalen Organisationen die Probleme des Landes anpacken kann. Schon bald wird sich erweisen, ob die Kosovo-Albaner ernsthaft einen demokratischen und die Minderheitenrechte respektierenden Staat aufbauen wollen. Erst wenn dieses Experiment gelingt, könnte – lässt man einmal die Verpflichtungen gegenüber Belgrad außen vor – wirklich über die Unabhängigkeit des Landes gesprochen werden.
Die Minderheiten können jedenfalls zufrieden sein. Ihre kollektiven Rechte wie die Menschenrechte werden durch den Gesetzesrahmen gestärkt. Die Gemeinden haben weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten – und damit auch die serbischen Enklaven und Dörfer: Die eigene Sprache und Schrift sind gesichert, das Erziehungswesen ist dezentralisiert. Wenn die meisten serbischen Parteien im Kosovo dennoch den Gesetzesrahmen ablehnen und nicht in den zu schaffenden Institutionen mitarbeiten wollen, dann wegen der noch vorherrschenden Ideologie: Noch hoffen viele darauf, dass es zu einer Teilung des Kosovo kommen könnte oder die jugoslawische Armee zurückkehren wird. Das ist jedoch unwahrscheinlich, auch wenn die Statusfrage nicht endgültig geklärt ist. Auch den Internationalen ist klar, dass die Rückkehr der serbischen Polizei und Armee Krieg bedeuten würde.
Den Serben sollte zu denken geben, dass die kleine türkische Minderheit und die slawischen Muslime die Verfassung akzeptieren – und auch die Roma, die jedoch über kein geschlossenes Siedlungsgebiet verfügen. Um für sie eine angemessene Lösung zu finden, muss die internationale Gemeinschaft aber noch viele praktische Schritte unternehmen. Insgesamt ist der erste Schritt für ein neues Kosovo allerdings getan. ERICH RATHFELDER
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