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Betriebsrat gründen leichter gemacht

Auch für größere Unternehmen mit bis zu 100 Beschäftigten könnte das vereinfachte Verfahren für die Wahl der Mitarbeitervertretung gelten, finden die Fraktionen von SPD und Grünen. Anhörung im Bundestag

BERLIN taz ■ Der Endspurt läuft, in den nächsten Tagen wollen Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften letzte Punkte sammeln. Denn im Juni will Arbeitsminister Walter Riester (SPD) die umstrittene Reform der betrieblichen Mitbestimmung im Bundestag durch die 2. und 3. Lesung bringen. Zum 1. August könnte die Regelung in Kraft treten.

Eingeläutet worden ist die letzte Runde am Montag mit einer Anhörung von Verbänden und Sachverständigen vor dem Sozialausschuss des Bundestages. Und die Fraktionen von SPD und Grünen haben angedeutet, dass sie sich auch jetzt noch „moderate Veränderungen“ vorstellen können: Dabei weist einiges darauf hin, dass das vereinfachte Wahlverfahren, das bislang für Betriebe bis 50 Beschäftigte geplant ist, auf solche mit bis zu 100 Leuten ausgeweitet, die Mitwirkung des Betriebsrates bei Weiterbildung und befristeten Jobs deutlicher geklärt sowie die vorgesehene Umstellung vom Verhältnis- auf ein Mehrheitswahlrecht rückgängig gemacht werden könnte.

Mit dem vereinfachten Wahlverfahren können Betriebsräte in kleinen Betrieben in zwei Wahlversammlungen statt über das umständlichere und damit auch teurere Urnenverfahren gewählt werden. Das ist eine Hauptforderung der Gewerkschaften. Bei der Anhörung wurden sie durch die Rechtsprofessoren Ulrike Wendeling-Schröder und Wolfgang Däubler unterstützt. Das Betriebsverfassungsgesetz sei „ein essenzieller Bestandteil unseres Arbeitsrechts“, sagte Wendeling-Schröder. Deshalb müsse man es flächendeckend zur Anwendung bringen. Ohne Betriebsrat hätten es Beschäftigte auch schwer, ihre Individualrechte geltend zu machen.

Mindestens ebenso wichtig war Däubler die Erweiterung der Mitbestimmungsmöglichkeiten des Betriebsrates. Beim derzeitigen „Schub an technologischen Innovationen“ sei die Qualifikation der Beschäftigten eine Schlüsselaufgabe. Defizite, wie sie sich bei der Greencard-Diskussion gezeigt hätten, so Däubler, „können schnell passieren, wenn sich nur eine Seite um die Weiterbildung kümmert“.

Sollte statt des geplanten Mehrheitswahlrechts doch das Verhältniswahlrecht beibehalten werden, wäre das vor allem den Grünen zu verdanken. Diese befürchten, dass das neue Verfahren Minderheiten wie Einzelkandidaten von DGB-fremden Gewerkschaften ausgrenzt.

Die von den Wirtschaftsverbänden immer wieder in den Vordergrund gerückte Kostenfrage entpuppte sich dagegen als reine Glaubensfrage. Mit ein und derselben Studie belegten Rolf Kroker vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) und Claus Schäfer vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI), dass die Reform die Wirtschaft bis zu 2,5 Milliarden Mark kosten bzw. ihr Standortvorteile verschaffen würde. Dieter Sadowski, Direktor des europäischen Arbeitsrechtinstituts IAAEG in Trier, warnte vor einer „Dramatisierung“: Die nationalen Mitbestimmungsmodelle seien für die Standortentscheidung sowieso nicht ausschlaggebend. Das zeigten auch die Töchter angelsächsischer Firmen in Deutschland: „Sie haben öfter Betriebsräte als deutsche Unternehmen.“ BEATE WILLMS

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