Kriminalstatistik
: Insel der Glückseligen

■ Zahl der Delikte steigt erstmals wieder

Zum ersten Mal seit 1996 ist die Zahl der Kriminalstraftaten im Land Bremen wieder angestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr gab es im Jahr 2000 einen Zuwachs um sieben Prozent auf 92.801 Fälle. „Leider leben wir nicht auf einer Insel der Glückseligen“, sagte Innensenator Bernt Schulte (CDU) gestern bei der Präsentation der Kriminalstatistik für das Jahr 2000. Außerdem liege das Plus im Trend: In ganz Norddeutschland stiegen die Zahlen wieder an, sagte Schulte. „Warum soll es in Bremen anders sein als in Hannover oder Hamburg?“

Einer der gefährlichsten Deutschland-Trends zeigte sich vergangenes Jahr auch in Bremen: Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten stieg von 79 auf 221 rasant an. Allerdings, so Schulte, handle es sich, „überwiegend um Propagandadelikte, Volksverhetzung und Beleidigungen“. Insgesamt registrierte die Statistik neun rechtsextreme Gewalttaten.

Eine der Hauptursachen für den Anstieg der Kriminalität in Bremen ist die Zunahme der Diebstahl-Delikte um 5,3 Prozent auf 51.808. Insbesondere die Zahl der Handtaschendiebstähle stieg um 87,5 Prozent auf 270 Fälle dramatisch an. Starke Zuwächse gab es mit plus 8,5 Prozent auch bei Raub und räuberischer Erpressung (1.747 Fälle) und bei schwerer Körperverletzung (plus 3,5 Prozent auf 1.586 Fälle). Auch die Zahl der Rauschgiftdelikte nahm um 6,7 Prozent auf 4.038 zu. Rückgänge waren bei Mord und Totschlag (minus 21,1 Prozent auf 45 Fälle) sowie Vergewaltigung und sexueller Nötigung (minus 3,3 Prozent auf 116 Fälle) zu verzeichnen.

„Große Sorge“ bereite ihm die große Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen, sagte Schulte. 28,9 Prozent oder 7372 Tatverdächtige waren unter 21 Jahre alt. „Für uns steht der Kampf gegen die Jugendkriminalität an erster Stelle“, sagte der Innensenator. Die Polizei versuche mit ihren Projekten „Delinquente Kinder“ und „Ladendiebstahl“ dagegen vorzugehen.

Auch die Zahl der ermittelten ausländischen Tatverdächtigen ist im Vergleich zum Vorjahr fast unvermindert hoch. 28,9 Prozent oder 7.372 Tatverdächtige waren im Jahr 2000 Ausländer. Rechnet man die Straftaten nach dem Ausländergesetz sowie Asylverfahren heraus, bleiben 6.165 Verdächtige (24,2 Prozent).

Immerhin klärte die Polizei 46,3 Prozent aller Delikte auf (Vorjahr: 46,4 Prozent). Beim Diebstahl lag die Quote bei 51,1 Prozent, bei Rauschgiftdelikten sogar bei 96,4 Prozent. Auch bei der Gewaltkriminalität liege die Aufklärungsquote mit fast 60 Prozent auf realtiv hohem Niveau, sagte Schulte. Er betonte, dass sich die Bremer – im Gegensatz zu den Hamburgern – „sicher fühlen. In Bremen gilt weiterhin: Verbrechen lohnt sich nicht.“ Mit täterorientiert arbeitenden Ermittlungsgruppen, mehr Präsens auf den Straßen und der Kooperation mit dem Bundesgrenzschutz wolle die Polizei das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung stärken.

Angesichts der erstmals seit fünf Jahren steigenden Zahlen stellte Schulte gestern nicht nur seine letzte, sondern auch seine traurigste Kriminalitätsstatistik vor. „Ich gehe mit etwas Wehmut“, sagte der Innensenator, der im Juli aus dem Amt scheidet, um in die Privatwirtschaft zu gehen („Wohin, das sage ich noch nicht.“). Es sei „Quatsch“, ihm den Anstieg anzukreiden. Immerhin „ist es mein persönlicher Erfolg, dass es in meinen zwei Jahren als Innensenator keine Kürzungen bei der Polizei gegeben hat.“

ksc