: Armut in Bremen – Unwissenheit wird bleiben
■ SPD forderte Armuts- und Reichtumsbericht / Keine regelmäßige Erhebung
Einen Bericht über Armut und Reichtum hatte die SPD-Fraktion vom Senat erbeten. Er war gestern Thema in der Bürgerschaft. Aufschlüsse über Armut in Bremen konnte die Auswertung der Steuerdaten von Senatsseite nur begrenzt bieten: Der Anteil der Verdienenden mit einem Jahreseinkommen unter 25.000 Mark ist von rund 35 Prozent im Jahr 1986 auf rund 26 Prozent im Jahr 1995 gesunken – ähnlich sieht es bei Einkommen bis 50.000 Mark aus. Die karge Essenz der Senatsantwort lautet: „Der Senat begrüßt, dass die Zahl der Steuerpflichtigen aus den unteren Einkommensklassen deutlich gesunken ist. Die vorliegenden Steuerdaten lassen aber konkrete Aussagen über Armut oder Reichtum nicht zu.“ Für die Grünen forderte deshalb gestern Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert alle zwei Jahre einen Reichtums- und Armutsbericht, denn: „Vom Nicht-wissen-wollen profitieren nur die Starken“. Am liebsten, so bekundete Mario Käse für die SPD, hätten die Genossen zugestimmt, aber in einer Großen Koalition darf man nicht mit der Opposition stimmen. Man habe das Anliegen an die CDU herangetragen, aber bei „deren Verhaftung im Klammergriff der Wirtschaft“ sei hier nichts zu holen und deshalb ist es „schlicht so, dass der Koalitionspartner uns hier im Wege steht. Das kann man nicht anders darstellen“, bekannte Käse.
Ganz anders sei's gewesen, erklärte für die CDU Karl Uwe Oppermann. In der Frage nach einem Armutsbericht „spiegelt sich sowas wie Klassenkampf wider“ – nichts für die Christdemokraten. Außerdem: „Uns wär's am liebsten, es ginge allen gut.“ Oppermann betonte die Zunahme „bescheidenen Wohlstands“, die der Senatsbericht zeige: Immerhin wohnten 38 Prozent aller BürgerInnen in ihrem Eigentum. Armut definierte er als „Vorenthaltung von Arbeit“ und fand es „schade, dass die Zahl der Millionäre abgenommen hat, denn eine reiche Stadt kann Mittel zur Verfügung stellen, die die Verteilung gewährleisten.“
Das und Uta Kummers (SPD) Aufzählung von Investitionsmillionen einerseits bei gleichzeitigem Beklagen über zuwenig Mittel für Soziales – das zusammen trieb die Grüne Karoline Linnert endgültig auf die Palme. „Wer regiert denn hier?“, donnerte sie in Richtung Kummer und SPD: „Sie verantworten diese Politik der Großen Koalition zulasten der Armen“, nämlich die „rabiate Umverteilung“ als Folge des Investitionssonderprogramms und „rabiate Kürzungen“ in den Haushalten.
Der Antrag der Grünen auf regelmäßige Erstellung eines Armutsberichts wurde abgelehnt. sgi
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