: Stiller Garten im Obertonreich
■ 120 Kinder, die Kammerphilharmonie und sechs KomponistInnen haben die Welt etwas verbessert: Sie führten die Konzerte des „Response“-Projekts auf
Wusel-Wusel-Wusel: 120 auftretende Kinder bevölkern den Schlachthof, sechs Klassen aus der Grundschule, eine sechste und neunte Klasse sowie ein Leistungskurs Musik im elften Jahrgang haben mit ihren MusiklehrerInnen, sechs Komponisten und MusikerInnen der Deutschen Kammerphilharmonie das diesjährige „Response“-Projekt erarbeitet. Wie erfolgreich das Projekt ist, wie groß sein Renommé, lässt sich vielleicht daran ablesen, dass sich in diesem Jahr sechzehn Schulen um die Teilnahme beworben haben – beworben darum, eine Woche lang nichts weiter als Musik zu machen, „eine Woche wertvollen Freiraum außerhalb von Konkurrenz und Leistung zu erleben“, so der Dresdner Komponist Karsten Gundermann. „Das war keine einzige Minute langweilig“, erzählt mir eine Viertklässlerin.
„Ganz bewusst haben wir keine pädagogischen Konzepte, sondern entwickeln das Konzept gemeinsam mit den Kindern“, erzählt Albert Schmitt, der Geschäftsführer der Kammerphilharmonie. Probleme gibt es nach Aussage der Komponisten keine. Sechs Minuten sollten die Stücke der Kinder dauern, und vier Minuten die „Antwort“, „Response“, Stücke der Komponisten.
Fast alle haben ihre Stücke eng an die Konzeptionen der Kinder angebunden, so Karsten Gundermann, der einen Zeichentrickfilm von seinen Zweitklässlern musikalich untermalen ließ und das dann auch noch einmal selbst tat. Oder Uwe Rasch, der mit „rot I blau 3“ mit der dritten Klasse Körpertöne erarbeitete und dann mit Lilian von Haußen eine orientierungslos gewordene „Körpertrommlerin“ auftreten ließ, eine Figur aus einem seiner älteren Stücke. Oder der Südafrikaner Hans Huyssen, der mit dem sechsten Jahrgang vom Schulzentrum Obervieland ein dramaturgisch dichtes Stück gegen Fremdenhass entwickelte und dabei mit „Viva la musica“ die Lust der Kinder am Singen einbauen konnte: „Ich hatte vorher immer gedacht, Singen sei nicht cool“, erzählt ein Junge.
Der chinesische Komponist Xiaoyong Chen entließ die vierte Klasse der Grundschule Parsevalstraße in einen stillen Garten, den die Kinder mit den obertonreichen chinesischen Klangschalen und vielem mehr aushorchten. Der englisch-irische Komponist David P. Graham lotete mit der neunten Klasse der Gesamtschule Mitte die Klänge einer Straßenbahn aus. Serge Weber, dessen deftige Musik viele BremerInnen von den Aufführungen des Tanztheaters Hans Kresniks kennen, kombinierte seine Idee mit der der SchülerInnen des Leistungskurses Musik der elften Klasse des Kippenberg-Gymnasiums: eine gesellschaftskritische Riesenperformance.
Alle Beispiele machten den Zusammenhang von Kunst und Gesellschaft deutlich, und das ist neben der Entdeckung von Klängen und dem Experimentieren mit ihnen sicher eins der wertvollsten Ergebnisse dieses vom Landesinstitut für Schule durchgeführten Projektes. In Berlin hat es ein groß angelegtes Forschungsprojekt gegeben, mit dem festgestellt wurde, wie viele Aggressionen bei Kindern abgebaut und in andere Bahnen gelenkt werden können, wenn sie miteinander Musik machen. Response beweist dies auf wunderbare Weise. Gundermann: „In meiner Klasse wollen im Augenblick alle Oboe lernen.“ Ute Schalz-Laurenze
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