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Geburtstagsfeier hinter Backstein

Die Kulturbrauerei begeht am Wochenende ihr zehnjähriges Bestehen. Noch vor wenigen Wochen haben die dort ansässigen Betriebe über zu wenig Zulauf und ein fehlendes Gesamtkonzept geklagt. Doch jetzt soll alles wieder in Ordnung sein

von KIRSTEN KÜPPERS

Samstagabend gegen 23 Uhr. Wie jedes Wochenende legt der DJ in der Alten Kantine der Kulturbrauerei bewährte Diskothekenschlager auf: „I will survive“ und „Moskau, Moskau“ heißen die Lieder. Der DJ weiß, dass ihm die Menschen hier in dem weiten Raum für diese Platten dankbar sind. Weil sie wissen, was als Nächstes kommt. Weil sie sich in der Musik zu Hause fühlen. Und weil man sich dazu eine Studenten- und Werktätigenwoche aus dem Kopf tanzen kann. So funktioniert das Service-Prinzip eines Amüsierbetriebes. Es ist voll, es ist heiß, es ist Wochenende.

Und wie immer stehen draußen auf dem Hof vor dem Eingang zum roten Klinkerbau noch viele andere, die in die Halle zur Tanzfläche wollen. Auch an sie wurde gedacht. Sie werden von einem Würstchengrill, einem Crêpes-Stand und einem Getränketresen bewirtet. Weiter hinten warten eine Cocktail-Bar und ein bayerischer Biergarten. Im Kinokomplex beginnt jetzt die Vorstellung eines amerikanischen Actionthrillers, parallel zu drei weiteren Filmen. Das neue Konzept der renovierten Kulturbrauerei versorgt gründlich. So rechnet sich das.

Und wenn ab heute Abend die Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg drei Tage lang ihr zehnjähriges Bestehen feiert, mit einem bunten Festprogramm und prominenten Gästen wie Bundestagspräsident Thierse, Bürgermeister Diepgen, Kultursenator Stölzl und dem Schriftsteller Stefan Heym, dann werden die Verantwortlichen das sanierte Gelände auch deswegen als schönen Treffpunkt loben. Als beliebtes Zentrum für Kultur, Gesellschaft und Politik, heißt es dann. Ein prächtiger Ort, doch gerade im Sommer.

Allerdings klang das vor wenigen Wochen noch ganz anders. Vielleicht war auch nur das trübe Aprilwetter schuld. Denn da hatten die Betreiber der ansässigen Lokale über zu wenig Zulauf geklagt. Nicht an den Samstagabenden, da sei es voll. Aber tagsüber und unter der Woche fehlten die Gäste, meinten sie. Die Mischung der Angebote sei falsch. Der Kulturbrauerei mangele es an einem Gesamtentwurf. Und das habe die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft (TLG) als Vermieterin zu verantworten, so die einhellige Meinung.

100 Millionen Mark hat die TLG vor wenigen Jahren in die Erneuerung des ehemaligen Brauereigeländes an der Schönhauser Allee investiert. Herausgekommen ist ein sanierter Gebäudekomplex, in dem Kultur und Kommerz jetzt eng nebeneinander wirtschaften. Das Multiplexkino und die bayerische Biergartenkette kamen, ebenso ein Reisebüro, eine Supermarktfilliale und ein Blumenladen. Neben Veranstaltungshalle, Theater und Galerie hat eine moderne Cocktailbar eröffnet. Restaurant und Club sind angeschlossen.

Allerdings seien immer noch zu wenige Kultureinrichtungen auf dem Gelände, hatte sich Gabriele Muschter, Geschäftsführerin des Vereins „Kulturbrauerei“, nun beschwert. Dabei brächten die doch das Publikum. Erst im Januar hatte der Betreiber des Kinos an eine neue Firma verkaufen müssen. Wegen zu geringer Besucherzahlen. Auch zu einem kürzlich initiierten Wochenmarkt im Hof kamen kaum Kunden. Obwohl nur wenige Meter entfernt gelegen, konnte die Kulturbrauerei vom Rummel am Kollwitzplatz bislang kaum profitieren. Das müsse sich ändern, hieß es. Und Sören Birke vom „Soda Club“ hatte ein umfassendes Marketingkonzept für den Standort gefordert.

Inzwischen und nachdem all diese Unzufriedenheiten auch in der Zeitung gelandet waren, hat es ein Treffen zwischen der TLG und den Mietern gegeben. Seither scheint die Stimmung wieder versöhnlich. „Alles ist wunderbar“, möchte Sören Birke sogar zitiert werden. „Wir befinden uns in einem Aufwärtstrend und hoffen, dass er anhält.“ Auch Gabriele Muschter gibt sich wieder zuversichtlich: „Unsere Veranstaltungen sind ausgelastet.“

Grund für die plötzliche gute Laune ist nicht nur das warme Wetter, das viele Gäste auf die Bierbänke des Geländes holt. Sondern auch die Kooperationsbereitschaft der TLG. Sie hat endlich Mieter für die noch leer stehenden Räumlichkeiten gefunden. Eine Musikalienhandlung mit Musikschule, ein Konferenzveranstalter und ein Ausstellungsbetreiber sollen das sein. Das lasse auch am Tag und unter der Woche auf mehr Betrieb in der Kulturbrauerei hoffen, sagt Frank Lehmann von der TLG. Für Skeptiker hält der Objektmanager zudem noch einen Trostsatz bereit: „In Las Vegas ist ja tagsüber auch nichts los.“

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