: Ein umgetaufter Öltanker
George W. Bush senkt die Steuern – das so gesparte Geld dürfen die Amerikaner künftig den Ölkonzernen weiterreichen
aus Washington ELLY JUNGHANS
Zur Verkündung seiner Energiepolitik reiste George W. Bush am Donnerstag nicht etwa nach Texas, um sich vor einem Bohrturm ablichten zu lassen. Als Kulisse wählte der US-Präsident vielmehr ein umweltschonendes Elektrizitätswerk im Mittleren Westen, das Restwärme für Heizungen und Klimaanlagen nutzt. Der ehemalige Ölmann tut alles, um nicht als Freund der Energiekonzerne aufzufallen. Denn er muss fürchten, dass seine energiepolitischen Vorhaben seiner Popularität nicht förderlich, sondern hinderlich sind.
Mit der Energiekrise, die Bush seit seinem Amtsantritt herbeiredet, hat er sich keinen Gefallen getan. Anstatt die Akzeptanz in der Bevölkerung für neue Bohrvorhaben und Atomkraftwerke zu erhöhen, steht er als Verächter des kleinen Mannes und der Umwelt da. Proportional zu den steigenden Benzinpreisen sinken seine Umfragewerte. Statt der anfänglichen 62 Prozent billigen nur noch 53 Prozent seine Amtsführung.
Bush hat unterschätzt, dass in der Brust jedes Durchschnittsamerikaners zwei Herzen schlagen – die Energie betreffend. Einerseits will kein Vorstadtbewohner auf seinen Benzin schluckenden Range Rover verzichten. Andererseits machen Sportnutzfahrzeuge nur Spaß, solange ein Wochenendtrip in die unberührte Natur vorstellbar bleibt. Bei einer Bevölkerung, die sich mit dem Spagat zwischen Geldbeutel und Umweltgewissen abmüht, kommt schlecht an, wenn US-Vizepräsident Richard Cheney kaltschnäuzig sagt, Energiesparen sei eine „persönliche Tugend“, aber keine Grundlage für eine vernünftige Energiepolitik.
Auf die Frage, wo in Zukunft der Strom herkommen soll, kreuzen die meisten US-Bürger als erstes alternative Energiequellen an. Doch zwei Dollar pro Gallone Benzin – pro Liter etwa 1,15 Mark – sind für Pendler, die mangels öffentlicher Verkehrsmittel auf ihr Auto angewiesen sind, ein echtes Problem. Sie rufen nach Maßnahmen, die schneller greifen als ein neues Kraftwerk gebaut werden kann. Doch bisher wollte Bush weder die nationalen Energiereserven anzapfen noch höhere Kilometerpauschalen gewähren oder die Benzinsteuer zeitweise aufheben.
Vorrang haben für den US-Präsidenten die fossilen Energien. Er will den Bau von Raffinerien fördern und neue Öl- und Gasvorkommen erschließen, selbst wenn dafür in einem Naturschutzgebiet in Alaska gebohrt werden muss. Auch die Atomenergie, die seit dem Unfall von Three Mile Island im Jahr 1979 in den USA verpönt ist, bekommt eine neue Chance. In Yucca Mountain in Nevada soll ein Atommülllager angelegt werden. Auch über Wiederaufbereitungsanlagen wird nachgedacht.
Ein Zaubermittel gegen steigende Energiekosten gebe es nicht, predigt der US-Präsident. Wenn etwas die Bürger in die Lage versetze, mehr für Sprit zu bezahlen, dann am ehesten die geplanten Steuersenkungen. Im Klartext: Ich gebe euch Geld, das ihr postwendend an die Mineralölkonzerne weitergeben dürft – in den Ohren der Pendler eine zynische Kalkulation.
Bush tut sich schwer damit, den Verdacht zu zerstreuen, er wirtschafte in die Tasche seiner Freunde aus dem Ölgeschäft. Schließlich gehörte ihm früher selbst eine Bohrfirma. Die Öl- und Gasindustrie steckte mehr als 25 Millionen Dollar in seinen Wahlkampf. Cheney leitete bis vor kurzem das texanische Energieunternehmen Halliburton. Die Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice saß von 1991 bis 2000 im Aufsichtsrat von Chevron. Der nach ihr benannte Öltanker wurde im April vorsichtshalber umgetauft.
Von der Opposition wird das Misstrauen gegenüber Bushs Motiven weidlich ausgeschlachtet. Der US-Präsident lasse die Menschen auf kurze Zeit gesehen im Stich, sagte der demokratische Fraktionschef im Repräsentantenhaus, Richard Gephardt. Gleichzeitig scheffelten die Energiekonzerne Profite wie noch nie.
Angesichts der Kritik blieben Bushs PR-Strategen nicht untätig. Die steuerliche Begünstigung von Sparautos wurde auf der Liste der energiepolitischen Vorhaben ganz nach oben gesetzt. Alle vorgesehenen Subventionen würden in erneuerbare Energien gesteckt, beteuerte ein Regierungsvertreter. Die Kombination zwischen Energiesparen und Produktionssteigerung habe auch eine kurzfristige Signalwirkung, erklärte der Präsident am Mittwoch nach einer Kabinettssitzung. An seinen inhaltlichen Prioritäten ändern diese Verkaufstricks nichts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen