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Sondermüll unter Tage

Müllverbrennungsanlagen kippen ihre Filterstäube Bergwerke und werden sie so billig los. Trittin will die Umweltsünde mit neuer Verordnung einschränken

BERLIN taz ■ Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) will das Füllen ausrangierter Bergstollen mit Sondermüll einschränken und noch vor der Sommerpause eine entsprechende Verordnung vom Kabinett verabschieden lassen. Diese sieht vor, dass nur noch Salz-, nicht mehr aber Kohlebergwerke mit Rückständen aus Müllverbrennungsanlagen versetzt werden dürfen. Der Europäischen Kommission allerdings geht Trittins Entwurf nicht weit genug. Ihre Zustimmung ist daher offen.

„Müll sucht sich immer das billigste Loch“, sagt Dirk Jansen. Der Abfallexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kennt Bergwerke, bei denen man eine Tonne Sondermüll für nur dreißig Mark verschwinden lassen kann. Eine umweltgerechte Entsorgung auf der Deponie kostet knapp 1.000 Mark. Die Billigverklappung unter Tage wird in Deutschland als Müllverwertung, nicht als Entsorgung eingestuft – es entfallen die hohen und teuren Umweltschutzauflagen. Zahlreiche Müllverbrennungsanlagen nutzen das legale Schnäppchen und kippen ihre giftigen Filterstäube mit Beton vermischt als Bergversatz in Salzstöcke und Kohlegruben.

„Diese Praxis ist eine tickende Zeitbombe“, sagt Jansen. „Durch die Gruben sickert Wasser, das langfristig das Grundwasser verseucht.“ Wenn ein Prüfer jedoch bestätigt, dass durch eine Salzgrube kaum Wasser sickert, soll dort nach Trittins neuer Verordnung auch weiterhin Sondermüll verklappt werden dürfen. Die Betreiber von Kohlebergwerken ärgert das. Auch sie haben am Müllgeschäft verdient. Denn verfüllt werden muss ein alter Schacht meist ohnehin, um Erdrutsche und Brandgefahr zu vermeiden. Wer dafür Sondermüll verwendet, bekommt Geld dafür, dass er ihn nimmt. Wer die Grube mit anderem Material zuschüttet, muss dafür bezahlen. Bevor der Abfall weiterhin unter Tage wandert, will Trittin ihn auch auf seine stoffliche Verwertbarkeit untersuchen lassen.

Der BUND sieht mit der Verordnung „das Ende der ökologisch fatalen Einbringung hochgiftigen Sondermülls in deutschen Bergwerken näher rücken“. Die Zustimmung der Europäischen Kommission ist allerdings fraglich, denn auch mit der neuen Verordnung gilt die weiterhin erlaubte Entsorgung in Salzstöcken als Verwertung und nicht als Abfallentsorgung. Da für Letzteres europaweit strenge Richtlinien gelten, sah die EU-Kommission in der alten deutschen Regelung einen Wettbewerbsnachteil für Deponien aus anderen Ländern. Sie drohte mit Abmahnung. Beim Europäischen Gerichtshof liegt zudem seit über einem Jahr eine Klage Österreichs gegen die deutsche Praxis. Jürgens Trittins Verordnung ist insofern nur ein Kompromiss. „Die geplante Versatzverordnung ist der Kommission noch nicht mitgeteilt worden“, heißt es aus Brüssel, wo man hart bleiben will. „Die Kommission vertritt die Ansicht, dass Bergversatz als Beseitigung einzustufen ist“, so die Pressestelle. Bleibt die Kommission dabei, könnten auch Salzstöcke Sondermüll nicht mehr so billig aufnehmen wie bisher. RALF GEISSLER

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