: Der richtige Mann in der falschen Partei
Nach elf Jahren steht Genosse Lothar Finzelberg wieder an der Spitze seines Heimatkreises Jerichower Land
Die Weichen sind gestellt: Die Sozialdemokraten des Jerichower Landes haben den Wählern ihres schon im ersten Wahlgang unterlegenen Kandidaten empfohlen, in der Stichwahl den PDS- Genossen Lothar Finzelberg zum Landrat zu wählen, der CDU-Kandidat mit seinen tausenden Plakaten, Anzeigen, Handzetteln, mit seiner Rede von der „Koalition der Vernunft“ zwischen CDU und SPD blieb chancenlos. Der Wahlkampf vor den Toren Magdeburgs strahlt in die Landeshauptstadt, im nächsten Frühjahr sind Landtagswahlen, das „Magdeburger Modell“ wird auslaufen und Reinhard Höppner die PDS in die Regierung nehmen. So wird es sein. Wenn es nach dem Willen von Lothar Finzelberg geht, der am Sonntag mit knapp 62 Prozent zum Landrat des Jerichower Landes gewählt wurde. Allerdings sind nur 28 Prozent der Wähler überhaupt zur Wahl gegangen.
Im Wahlkampf hat Finzelberg seine Parteimitgliedschaft nicht sonderlich herausgestellt. Über 80 Prozent des Kreistages seien schon auf seiner Seite, behauptet Finzelberg. Der Genosse betonte seine Herkunft aus der Region im Gegensatz zum „Westimport“ der CDU. „Einer von uns“ stand auf Finzelbergs Wahlkampfzetteln, das PDS-Logo war auffallend klein. Die meisten kennen Finzelberg sowieso aus ganz anderen Zusammenhängen: Der 47-Jährige ist der Vorsitzende des Kreissportbundes im Jerichower Land im nordöstlichen Sachsen- Anhalt zwischen Magdeburg und Brandenburg.
Am 9. November 1989 stand Lothar Finzelberg schon einmal an der Spitze des damaligen Kreises Genthin: Im Wendeherbst wurde der Ingenieurökonom mit dem SED-Parteibuch zum Vorsitzenden des Rates des Kreises bestimmt. Der damals 36-Jährige begann nach niedersächsischem Vorbild mit dem Umbau der Kreisverwaltung und wurde dessen erster Kreisdirektor. Im Frühjahr 1990 war die Politkarriere erst einmal vorbei. Als Altlast wurde Finzelberg entlassen, ging in den Westen und kam Ende des Jahres als Finanzberater zurück. In seinem Büro arbeiten derzeit sieben Angestellte. Beiläufig bemerkt Finzelberg, dass er im Wahlkampf auch aus der Wirtschaft unterstützt wurde.
Als Unternehmer erfolgreich, sportlich, elegant und ein Faible für Motorräder – kein Ruch der verblichenen SED klebt mehr an Lothar Finzelberg. Der richtige Mann, leider in der falschen Partei! Mancher hat es in der vergangenen Woche laut geseufzt, als sich Finzelberg im ersten Wahlgang an die Spitze setzte. Auch Finzelberg selbst hat das gedacht. Vor elf Jahren. Damals schrieb er dem SPD-Parteivorsitzenden Hans-Jochen Vogel. Der SED-Genosse wollte Sozialdemokrat werden, doch ein Parteibeschluss der SPD versperrte ehemaligen SED-Mitgliedern den Übertritt. Finzelberg blieb der PDS treu, beruft sich auf deren sozialdemokratische Traditionen und verbittet sich, als Kommunist bezeichnet zu werden.
Seine Gegner fürchten jetzt den Untergang des Jerichower Landes. Die nächste Kreisgebietsreform steht an und Sachsen-Anhalts SPD-Innenminister Püchel macht keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen die PDS. Der Landkreis könnte mitsamt Landrat bald der Vergangenheit angehören: Es gibt Befürchtungen, das Jerichower Land werde nun zu Gunsten der umliegenden Kreise zerschlagen. Und die sind fest in CDU-Hand.
THOMAS GERLACH
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