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berliner szenenTippelbruder mit Handy

Gute Tarnung

Der Boxhagener Platz in Friedrichshain ist beliebt. Er hat Rasen, einen Spielplatz, Bänke, Blumen und Bäume. Ein alter Mann mit Rauschebart sitzt dort mit einer Flasche Rotwein und schaut ins Leere, zwei voll gestopfte Plastikbeutel neben sich. Plötzlich bewegt er sich. Greift in die rechte Tasche seines abgewetzten Mantels und zieht ein Handy hervor, das er sich ans Ohr hält. Ein Handy! Nach etwa einer Minute ist genug gesagt, das mobile Telefon verschwindet wieder. Er schneuzt sich, steht auf, nimmt seine Habe und geht.

Was bleibt, sind Fragen. War es ein echtes Handy? Bekommt ein so genannter Penner eins mit Vertrag? Ist es überhaupt echt? Im „Kaiser’s“ gibt es grad Spielzeughandys für ein paar Mark. Als Antenne steckt ein Lolli in dem Plastikding, das einem Handy täuschend ähnlich sieht. Wer aber hat ihn angerufen? Seine Sozialarbeiterin? Ein Saufkumpan? Oder hat der Trinker nur mit sich selbst gefachsimpelt? Wer einfach so mit sich selbst spricht, gilt gemeinhin und schnell als bekloppt. Wer in ein Handy schwatzt, gilt dagegen als gesellschaftsfähig. Dass ich nicht allein mit meinen Erlebnis bin, las ich letztens in den Kurzgeschichten von Osman Engin. Der beschreibt in „Oberkanakengeil“ einen Penner, „der sturzbesoffen auf dem Boden liegend mit seinem Kumpel telefoniert, der nur zehn Meter weiter liegt“.

ANDREAS HERGETH

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