: Ende eines langen Winters
Die Zionskirche in Mitte soll ihre einstige Pracht zurückerhalten. Förderverein sammelt für die Sanierung des einstigen Treffpunktes der DDR-Opposition
Die Zionskirche steht auf einem kleinen Hügel, einem der höchsten Punkte Berlins. Der 67 Meter hohe Turm ragt weit sichtbar aus dem Häusermeer heraus. Als die Kirche vor über 130 Jahren geplant wurde, befand sich der Bauplatz noch am nördlichen Stadtrand, mitten im Ackerland. Erst nach und nach füllten sich die Straßen um den Kirchplatz mit den Gründerzeithäusern. „Um 1900 hatte die Gemeinde 120.000 Mitglieder“, erzählt Pfarrerin Anneli Freund. Heute sind es noch etwas über 2.000.
In der ruhigen Ecke der zunehmend lauter werdenden Mitte der Stadt werden immer mehr Häuser um den von Bäumen umringten Zionskirchplatz saniert. Im Sommer stehen vor den zahlreichen Cafes und Kneipen Tische und Stühle auf den Gehwegen, alle paar Minuten quietscht eine Straßenbahn um die Ecke. Nur das Schmuckstück des Platzes, die Zionskirche selbst, konnte in den vergangenen Jahren lediglich gesichert werden. Derzeit setzen Bauarbeiter wieder Türen und Fenster in die Öffnungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg zum Schutz vor Dieben zugemauert wurden.
Im Innenraum blättert derweil die Farbe ab, die auch zu DDR-Zeiten nur notdürftig über die ehemals bunten Wände gestrichen wurde. Die Heizung aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren funktioniert schon seit vielen Wintern nicht mehr. Von Oktober bis Mai werden die Gottesdienste deshalb im Gemeindehaus gefeiert. Morgen, zu Christi Himmelfahrt, wird Pfarrerin Freund zum ersten Mal nach dem langen Winter wieder in der großen Kirche predigen.
Die vom Schinkel-Schüler August Orth erbaute Kirche ist für viele Anwohner und Architekturliebhaber ein Anziehungspunkt. Von der einstigen Pracht ist zwar wenig übrig geblieben. Doch die Empore rund um das Kirchenschiff und die außergewöhnliche Form, eine Mischung aus Kreuzschiff und Kuppelbau, strahlen noch immer einen besonderen Reiz aus.
Zur Unterstützung der Sanierung hat die Pfarrerin einen Förderverein ins Leben gerufen, der gegenwärtig 19 Mitglieder zählt. Dessen Vorsitzender, Götz von Randow, beziffert die Kosten für die Restaurierung des Innenraums auf zwei Millionen Mark. Sie sollen durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und mit Hilfe von Sponsoren aufgebracht werden. Das Wichtigste sei zwar die Heizung, doch müsse die Kirche für die kleiner gewordene Gemeinde auch umgebaut werden, erklärt Pfarrerin Freund.
Doch der Förderverein will mehr tun als Geld sammeln. Es gehe auch darum, das Kiezleben zu stärken, unterstreicht von Randow. Denn die Zionskirchen-Gemeinde hat einen Ruf zu verteidigen: In den achtziger Jahren gründeten junge Leute eine Umweltbibliothek und machten die im Keller gelegenen Arbeitsräume zum DDR-weiten Informations- und Begegnungszentrum.
Es wurde im Spätherbst 1987 zum Ziel einer Nacht-und-Nebel-Aktion der Staatssicherheit, was die Gemeinde innerhalb weniger Stunden weit über die DDR-Grenzen hinweg bekannt machte. Die Bilder von den Mahnwachen und Fürbittandachten in der winterlich kalten Kirche gingen damals um die ganze Welt und zeugten von einem Engagement, das vielen bis dahin unbekannt geblieben war. Auch darum will der Verein ein Anlaufpunkt für engagierte Anwohner sein. Auch für solche, die wenig mit der Kirche zu tun haben – Monika Weller zum Beispiel. Sie ist vor allem am Bauwerk und seiner Geschichte interessiert. „Die Kirche ist schließlich ein Stück Osten“, sagt sie ,„schon darum darf man sie nicht vergessen.“ SABINE RIETZ (EPD)
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