Schily fühlt sich so sicher wie noch nie

Innenminister verkauft den minimalen Rückgang der Kriminalität im vergangenen Jahr als „hervorragende Leistung“. Deutschland sei jetzt das sicherste Land der Welt. Da möchte er auch nach 2002 im Amt bleiben, „wenn das Volk es will“

BERLIN taz ■ So fröhlich wie gestern hat man den normalerweise knorrigen Innenminister selten erlebt. Hier ein Spaß, da ein Scherz. Otto Schily im Überschwang der Gefühle. „Deutschland ist das sicherste Land der Welt“, frohlockte der glückliche Sozialdemokrat bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2000.

Die Zahl der Straftaten ist zwar gerade mal um 0,6 Prozentpunkte auf 6.264.723 gesunken. Auch die Aufklärungsquote konnte nur unwesentlich um 0,4 auf 53,2 Prozent verbessert werden – eigentlich kein Grund zum Ausflippen. Doch gestern war einfach alles wunderbar, Schilys Welt in bester Ordnung. Der Rückgang der Kriminalität sei „das Ergebnis hervorragender Leistungen“, auch bei der inneren Sicherheit befinde man sich „auf einem guten Weg“.

Damit Deutschland auch in Zukunft so schön sicher bleibt, möchte Schily nach der Bundestagswahl 2002 gern weitermachen, „wenn das Volk es will“. Gibt es eine Direktwahl des Innenministers? Nein, es reicht die dringende Aufforderung des Bundeskanzlers, doch bitteschön im Amt zu bleiben. Gerhard Schröder habe ihn „an seine Pflicht erinnert“. Dem habe er sich nicht entziehen können.

So wird der 68-Jährige wohl noch lange die Bürger vor dem Bösen schützen – und die SPD vor der Union. Schließlich wildert keiner so erfolgreich in deren Lager wie der schneidige Innenminister. Mit Sprüchen wie „Die Grenze der Belastbarkeit Deutschlands durch Zuwanderung ist überschritten“ und seiner Ausländerpolitik hat Schily so viele rechte Wähler zu Freunden gemacht, dass Schröder nicht auf ihn verzichten will. Prompt haben die bayerischen Genossen zugesagt, diesmal einen guten Listenplatz für den Mann zu reservieren, den der Kanzler in Anspielung auf Napoleons brutalen Polizeiminister zärtlich „mein Fouché“ nennt. Was stört es da, dass Schily vor einem Jahr versprochen hatte: „Ich höre 2002 auf, definitiv.“

Und von der Gewerkschaft der Polizei lässt sich so ein „erfolgreicher Innenminister“ (Schily über Schily) schon gar nichts sagen. „Wir teilen die Begeisterung nicht“, moserte GdP-Chef Konrad Freiberg. Im Gegenteil, die Daten signalisierten, dass sich die Kriminalität auf einem „erschreckend hohen Niveau“ verfestige. Die tatsächliche Verbrechensquote liege höher, als die Statistik ausweise. Deutschland doch nicht sicher? Kritik kümmert Schily wenig. Ihm geht es „nicht nur um abstrakte Zahlen“, teilte er mit, sondern um die beruhigende Erkenntnis, „dass die Bürger sich konkret sicherer fühlen können“. Und da ist er sich ganz sicher. LUKAS WALLRAFF