: Die Mumie kehrt zurück
Margarethe Schreinemakers’ Comeback wurde in Grund und Boden geschrieben, bevor „Big Diet“ überhaupt startete. Die Befürchtungen haben sich bestätigt: Mit den Pfunden purzelten gleich in der ersten Sendung die Quoten (So., 20.15 Uhr, RTL2)
von MARTIN WEBER
Es geschah nach 14 Minuten. Da lief der erste Werbeblock bei „Big Diet“, und es gab lauter schöne Menschen zu sehen. In der Bacardi-Werbung. Sommer, Strand und Waschbrettbauch. Nicht unbedingt das, was man in einem telegenen Abnehmprogramm erwartet, aber auch nicht weiter wild. Zum einen, weil danach noch Reklame für Appetitzügler über den Schirm flimmerte und sich mit dem Light-Käsehersteller sogar noch ein Hauptsponsor fand. Und zum anderen, weil für das Feinfühlige an diesem Abend ohnehin jemand anderes zuständig war: Margarethe Schreinemakers.
„Lang ist’s her, wunderbar“, sagt Frau Schreinemakers zur Begrüßung, hat damit schon genau ein Mal gelogen und beginnt dann mit dem, was sie zwei Stunden lang notorisch machen wird: grinsen und pressen. Margarethe Schreinemakers, von RTL und Sat.1 ausgemusterte Ex-Quotenqueen, die Fachfrau für Krawall- und Tränendrüsenjournalismus, hat sich aller Wahrscheinlichkeit die Backenzähne aufeinander tackern lassen. Das fördert nicht unbedingt die deutliche Artikulation, sieht aber prima aus. Und Frau Schreinemakers sieht gerne prima aus, und reden tut sie noch viel lieber. Ohne Punkt und Komma und beinahe ohne Atem zu holen.
Logorrhöe nennt der Fachmann dieses Phänomen, und Ralf wird das herzlich egal sein. Denn Frau Schreinemakers hat sich den schwabbeligen 35-Jährigen aus dem Publikum geschnappt, und jetzt muss er aus Gründen der Körperertüchtigung ein Gummibändel in die Länge ziehen. „Die ersten Male macht’s noch Spaß, aber danach tut’s weh“, quakt Frau Schreinemakers, „das Gerät heißt übrigens Tube, ist nicht sperrig und passt in jede Handtasche. Toll, ne?!“ Aber selbstverständlich.
Frau Schreinemakers ist gänzlich besoffen vor Glück, nachgerade schmerzhaft enthusiasmiert. Von der „Big Diet“-Location (blaue Bettwäsche für die dicken Jungs, zartrosa-farbene für die schweren Mädchen) – „schön, ne?“ Von den betreuenden Experten, hier: Fitnesstrainer, Ärzte, Ernährungspsychologen – „toll, ne?!“. Und nicht zuletzt natürlich von sich selbst.
Ihre ganze Kraft investierte die 42-Jährige nach dem 97er-Rauswurf in ihren Mann und die Kinder – und was dann noch übrig blieb, landete in den Sportschlappen. 70, 80 Kilometer joggt Frau Schreinemakers pro Woche, was aktuell bei einer Größe von 1,65 Meter zu einem sportiven Gewicht von 52 Kilo führt. So dünn und doch so mopsfidel. Toll, ne?! Nicht ganz so toll ist, dass Frau Schreinemakers auf dem langen Lauf zu sich selbst wieder in ihrem alten Job angekommen ist. Aber so ist das nun einmal: Sie hat’s vorgemacht mit dem Abnehmen, bewegen will sie selbstredend auch was – „die Deutschen sollen wieder den Hintern heben“ – und schwuppdiwupp: ist man wieder drin im Fernsehen. Da ist auch Daniel, 21, mit 101 Kilogramm der dünnste der dicken Männer, aber immer noch doppelt so schwer wie unsere Margarethe. „Ich bin ein fetziger Typ“, sagt Daniel, und wer so etwas in dem Alter von sich behauptet, ist natürlich – ob nun mopsig oder spargeldünn – nicht ganz bei sich. Aber auf Fälle willens, ein paar Pfunde zu lassen und für jedes verlorene Kilo ein Kilo Gold einzusacken. Frau Schreinemakers versteht das. Claudia, 87,7 Kilogramm und zweifellos ein prächtig aufgelegter Wonneproppen, hat mächtig viel Spaß an Männern, Erotik und Sex und kann zudem mit einer gesunden Selbsteinschätzung aufwarten: „Ich babbel ziemlich viel de ganze Tag, und wenn’s der größte Scheißdreck isch. Aber des isch halt schön.“ Das ist erfrischend ehrlich – und passt vor allem trefflich zu dem, was Frau Schreinemakers so veranstaltet. Die Backenzähne weiter tapfer aufeinander gepresst, das Köpfchen leicht schräg in Stellung gebracht, hört sich die eitle Grinsekatze geduldig an, was Michael, 110,6 Kilogramm, am ersten Tag nach der gesundheitsbedingten Nahrungsumstellung gar Schreckliches widerfahren ist. Wegen ungewohnter Salatzufuhr hat’s den 32-jährigen Angestellten auf dem Lokus beinahe zerrissen. „Wenn der Stuhlgang explosionsartig die Düse verlässt, kann es schon mal sein, dass einem die braunen Klamotten um die Ohren liegen, ich hatte ungefähr 3,5 atü Druckluft in meinen Gedärmen.“ Diesmal sagt Frau Schreinemakers nicht „Toll, ne?!“, sondern „Owei“.
Warum, wird wohl ihr Geheimnis bleiben – zwar haben Michaels Ausführungen keinen neuen Erkenntniswert, sind aber trotzdem in sich schlüssig. Denn: Reality-TV ist für’n Eimer. Und irgendwie auch mausetot. Außer der Moderatorin war nämlich erfreulicherweise noch etwas mager bei Big Diet: die Quote. Schlappe 1,27 Millionen Zuschauer (Marktanteil 4,1 Prozent wollten die dünne Margarethe und ihre 12 Dicken sehen). Toll, ne!?
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