: Schafsweib in Hitze
BBC klärt auf: Weibchen sind doch tatsächlich wie Männchen. Aussehen des Partners zählt nicht, Hauptsache Sex
Neulich wurde ich von einer BBC-Sendung im Fernsehen gefesselt, in der es um die Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Tier ging. (Zugegeben, man lässt sich immer leicht fesseln, besonders wenn man eigentlich arbeiten muss, aber das steht psychologisch auf einem ganz anderen Kolumnenblatt.)
Eine Menge niedlicher Äffchengesichter knitterten traurig in die Kamera; ein rot bewimperter Jane-Goddall-Verschnitt erzählte von Versuchen, eine depressive, dicke (Übersprungshandlung!) Schimpansendame aus dem Käfig zu locken; und ein schlanker Windhund wurde per versteckte Kamera dabei beobachtet, wie er die Wohnung seines Frauchens verwüstete, sobald sie ihm nach ein paar Kopftätschelungen alleine ließ. Er tue dies „aus Verlassensängsten“, diagnostizierte die sanfte Off-Tierpsychologenstimme.
Der Höhepunkt war jedoch die Kontaktbörse für Schafe: Man hängte Porträtfotos von drei weiblichen Schafen (Schafe sind, glaube ich, immer weiblich, aber ich habe ja auch nie gesagt, dass ich viel von Tieren verstehe) und ein Bild von einem gehörnten Schafbock (?) an je eine von vier Türen in einen Raum und führte die erste Schafdame hinein. Die Schafdame schaute ein bisschen, kaute ein bisschen, dachte vermutlich ein bisschen nach und entschied sich dann für einen gemütlichen Freundinnennachmittag mit Kichern und Jungsgeschichten und Grasrezepten und Euterpflegetipps: Sie ging zu einer der Schäfinnen-Türen. Auch die Schafdamen Nummer 2 und 3 staksten schnurstracks zu den Türen mit ihren Geschlechtsgenossinnen.
Nur die Schafdame Nummer 4, dieses Luder, warf sich in die Brust und wählte die Tür, die den Rammbock versprach. Was war passiert? Schafdame Nummer 4 war „in Hitze“, wie die Off-Stimme erklärte. Wollte Sex. Hatte Bock auf Bock. Brauchte was zwischen die vier Beine oder wie Schafe das machen, keine Ahnung. (Kenne Bauernhöfe nur von Playmobil.) Was dieses Experiment jedoch beweisen sollte, ist klar: Wat mutt, dat mutt. Und zwar auch bei Frauen.
Männer wehren sich ja ohnehin schon lange nicht mehr dagegen, von der gemeinen Gesellschaftsforschung als triebgesteuerte, vom Affen, speziell vom Bornobo, dem Italiener unter den menschenähnlichen Primaten, kaum zu unterscheidende Samenverschwender dargestellt zu werden. Im Gegenteil, wie unter anderem der bewundernd stolze Slogan „Männer sind so“ (für das grenzdebile Hochglanz-Niedrigbemittelt-Langweilmagazin FHM) beweist: Ach Gottchen, so sind se halt, die Hosenträger, legt man ihnen zwei umgekehrte Blumentöpfe mit zwei Erbsen drauf hin, dann ist schon wieder Erektionsalarm da unten.
Aber Frauen, so hatte ich jedenfalls das Gefühl bis zu dieser skandalösen tierfilmerischen Enthüllung, konnten sich eigentlich immer noch gerade so zurückhalten, auch wenn sie alleine sind und sogar eine Müslibanane im Haus hätten. Frauen mögen ja alles Mögliche machen, sich Männer schönsaufen, miese sexuelle Ausbeuterinnen sein, zuerst einen Orgasmus kriegen und dann stante pede, besser liegend einschlafen und so weiter. Aber die Tür mit dem x-beliebigen Schafbock öffnen, nur weil sie „in Hitze“ sind und es brauchen? No, Sir. Da lügt die BBC. Hoffentlich.
Couldn’t it be, so übersetzte ich im Geiste stümperhaft meinen zu schreibenden Leserbrief ins Englische, dass das Hitze-Schaf zum Beispiel einfach ein modernes Schaf war und absolut keine Lust auf die immer nur über Wollpflege, Lämmchenkriegen und Lämmchenerziehung mähenden Geschlechtsgenossinnen hatte? Dass die Schafporträts es zu sehr an sich selbst erinnerten? Dass es ohnehin die ganze Zeit mit Schafdamen zusammenlebt und die Chance auf Abwechslung nutzen wollte? Dass es nur ein bisschen mit dem Schafbock reden wollte? Dass es verdammt noch mal kurzsichtig ist?
Ich habe den BBC-Brief nicht abgeschickt. Aber das lag vor allem daran, dass sich einfach keine englische Vokabel für „Lämmchenerziehung“ finden ließ.
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