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Tote Mönche in der Tüte ...

■ Totenschädel, Wasserspiele und eine Hölle, die deutlich interessanter als der Himmel ist: Der Regisseur und Künstler Peter Greenaway inszeniert am Groninger Museum das Mittelalter im Norden

400 tote Mönche aus dem niederländischen Kloster Aduard starren den Besucher an. Flackerndes Licht irrt durch den Raum, dumpfes Rauschen und Tropfen vom Band vermitteln das passend gruselige Gruftgefühl. 25 Meter hintereinander: Schädel an Schädel, Knochen an Knochen, zum Teil in Plastiktüten verpackt und an die Leine gehängt. Der britische Regisseur Peter Greenaway hat die verblichenen Gottesmänner noch einmal zum Leben erweckt. Sie spielen die Hauptrolle in seiner Inszenierung „Hölle und Himmel – das Mittelalter im Norden“ für das Groninger Museum.

Ist so etwas makaber? Diese ethische Frage hat Greenaway natürlich genau kalkuliert. Er erklärt die toten Mönche kurzerhand zu einem „Essay über die Bedeutungslosigkeit des Individuums und die Vergänglichkeit der Zeit“. Da das Mittelalter besessen vom Tod und seiner bildlichen Darstellung gewesen sei, seien extreme Präsentationen zum Thema legitim. Und überhaupt: „Ist denn nicht eher makaber, dass wir diese Knochen in Museen herumzeigen, anstatt sie anständig zu begraben?“, fragt er provozierend zurück.

Ein Meister der leisen Töne ist Greenaway selten gewesen. In dieser Ausstellung trägt er die Farbe genauso dick auf wie in den Filmen, die seinen Ruhm begründet haben („Der Kontrakt des Zeichners“, „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“, „Das Baby von Macon“). Seine Schau soll vor allem eines zeigen: Unspektakuläre Exponate, die wir aus vielen Ausstellungen kennen, wie Bücher, Skulpturen, Münzen oder eben Mönchsknochen, lassen sich spektakulär präsentieren, um eine Atmosphäre zu schaffen, die unter die Haut geht. Greenaway erklärt keine Details der Wirtschafts- und Sozialgeschichte; er will uns nicht belehren und doziert nicht. Seit seiner Jugend ist er fasziniert vom Mittelalter. Diese Begeisterung soll auf die BesucherInnen überspringen. Sie sollen den „Geist und die Atmosphäre“ dieser Zeit erleben. Damit hebt sich Greenaway bewusst von den Mittelalterausstellungen ab, die HistorikerInnen entwerfen.

Als Mittler zwischen Himmel und Hölle liegen die Mönche im zentralen Raum der Ausstellung. Gleich rechts beginnt der Höllentrakt mit einer stilisierten Folterkammer, Kriegswerkzeug, einem Regal voller (Höllen-) Hundeschädel und Sündern, die wohl auf ewig schmoren. Gepflastert ist der Weg dorthin mit Geld (dem Museumsschatz von Feerwerd) und allerlei Glitterkram, an den gottlose Zeitgenossen so gern ihr Herz hängen. Greenaway lässt keinen Zweifel über die Vorstellungen des Mittelalters aufkommen: Neid, Habgier, Völlerei, Raffsucht – viele Wege führen in die Hölle.

Linker Hand liegt dann der sakral stilisierte Himmel. Aufatmen im einzigen hellen Raum der Ausstellung: Kerzenleuchter, Taufbecken, Kinderfiguren – die Feier des Lichts und der Unschuld. Sie symbolisieren die tägliche Auferstehung des Lebens – hell und klar, aber auch etwas steril und langweilig. Hier wird auch die Präsentation eher konventionell, und fast sehnt man sich nach der deutlich interessanteren Hölle zurück. Der Himmelsraum nebenan ist einer Krypta nachempfunden. Computergesteuerte Spots streichen über verstreute Architekturfragmente. Das Ganze wirkt wie eine wechselnde Tagesbeleuchtung im Zeitraffer, bei wechselnden Jahreszeiten und Wettern – eine Installation, in der man versinken möchte.

Hier schließt sich ein weiteres Thema der Schau an: das Wort, die Schrift, das Buch in allen Variationen als Gesangbücher, Chroniken, Orgelnoten – üppige Leihgaben aus verschiedenen Museen. Alle Exponate, wie das wertvolle Manuskript des Emo van Huizinge, stammen aus den nördlichen Niederlanden und zeigen die hochstehende Klosterkultur. Bücher symbolisieren für Greenaway die mittelalterliche Suche nach der Wahrheit; man kennt diese Metapher aus vielen seiner Filme. Schon der Eingang der Ausstellung ist bewacht von vier riesigen Bottichen, gefüllt mit Tinte und Federkielen. Auf einer meterhohen Leinwand kalligrafiert eine unsichtbare Hand Buchstaben, Wörter, Sätze, unterlegt mit kurzen Filmszenen, alles perfekt computergesteuert und sound-umrahmt.

Viele BesucherInnen legen hier eine Pause ein. Damit erreicht Greenaway sein wichtigstes Ziel, nämlich Bilder der Kontemplation zu schaffen. Er stößt den Besucher auch auf ein spezielles Problem im Norden, nämlich die ständige Bedrohung durch die See. Symbol dafür sind die Wasserspiele, die in der Ausstellung immer wieder variiert werden, mal als blubberndes Inferno, mal als liebliches Geplätscher. Sie bekommen damit eine doppelte Symbolkraft, denn das Meer begründete nicht nur den Wohlstand der Küstenregion, auch die Hölle wurde in den Niederlanden mit dem Wasser assoziiert. Es war Gefahr und Chance, Hölle und Himmel zugleich.

Und das Fazit? Man lernt kaum etwas Neues, erlebt aber viel Atmosphäre. Zwar ist Greenaway hierzulande fast ausschließlich als Regisseur bekannt, dennoch war er in den letzten Jahren vorrangig als bildender Künstler aktiv. Auch bei dieser Ausstellung tut er im Grunde das, was er in seinen Filmen tut: Er malt Bilder. Aber es sind dreidimensionale Bilder, in denen wir herumspazieren können. Das ist dem Meister großartig gelungen.

Eva Tenzer

Die Ausstellung im Groninger Museum, Museumeiland 1, direkt am Bahnhof, ist noch bis 2. September zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 10-17 Uhr. Der niederländische Katalog (englisches Vorwort von Peter Greenaway) kostet 37,50 Gulden. Eintritt: 13,50 Gulden.

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