: Im Wechsel der Gezeiten
In Magazinen lebt’s sich nicht immer besser: Die britische Band Zoot Woman zeigte im Maria, wie gut man Hochglanzpop in leicht und angenehm ranzig wirkenden Underground-Clubs performen kann
von GERRIT BARTELS
Den eigentlichen Aufgalopp für den Auftritt von Zoot Woman am Montag im Maria am Ostbahnhof gab es schon am Samstag. Da traten Howard Jones, Nik Kershaw, Bad Boys Blue, Samantha Fox und Jimmy Sommerville in der Wuhlheide auf, um noch einmal ihre Hits aus den Achtzigerjahren zu spielen. Obwohl aber dieses Konzert nur vom Radiosender r.s.2 beworben und veranstaltet wurde (und überhaupt nicht in den Medien, die in Sachen guter Geschmack was auf sich halten) und auch sonst nicht die Rede davon sein kann, dass genannte Musiker in aller Munde wären: Die Wuhlheide war ausverkauft. 16.500 Leute hatten Picknickkörbe und ihre Kinder dabei und amüsierten sich prächtig bei Songs wie „Wouldn’t It Be Good“ oder „Tell Me Why“.
Die Mitglieder von Zoot Woman wurden zwar alle erst Ende der Siebziger geboren, doch sie verweisen mit ihrer Musik und ihrem Auftreten zielgerecht auf die Achtzigerjahre. Nicht müde werden sie zu betonen, wie sehr ihr Debütalbum „Living In A Magazine“ ein Tribut an Duran Duran und deren Sänger Simon Le Bon ist. Nicht müde werden sie aber auch zu betonen, dass sie mit dem Album Kritik an der schönen, großen, bunten Glamourwelt der Magazine formulieren. Vorsichtig zwar, man ist ja auch Teil davon, aber immerhin. Zoot Woman jedenfalls führen gerade ein gutes Leben in den Magazinen, wo in den letzten Wochen niemand hinten anstehen wollte, als es darum ging, der Band mit Titelgeschichten, Previews oder Rezensionen die höheren Weihen zu verleihen.
Karten für ihr Konzert aber sind an diesem Montagabend auch noch an der Abendkasse zu haben, am Eingang gibt es weder Schlangen noch Drängeleien. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Zoot Woman ein ausgewachsener Hype sind, der sich gut macht in allen Magazinen, aber nicht dort hindringt, wo es wehtut, um es mal mit Tilman Rosmy und Jochen Distelmeyer zu sagen, dorthin, wo die Masse und r.s. 2 sind. Man kann auch auf den schönen Gedanken kommen, dass die Songs von Zoot Woman einfach eine Idee zu gut, eine Idee zu komplex sind, als dass sie einfach so und trotz vieler Vorwarnungen in den Charts landen könnten.
Pop an Pop hält doch
Dann ist da natürlich noch das leicht ranzige Maria am Ostbahnhof, das zwar in großen blauen Lettern POP an seiner Fassade stehen hat, aber doch noch immer den Ruf eines Underground-Clubs hat: ein Konzertvenue dieser Art und der Hochglanzpop von Zoot Woman, das scheint vielen Leuten nicht die richtige Verbindung; „Living In A Magazine“ hört man besser zu Hause, mit einem Gläschen Prosecco in der Hand auf dem weißen Ledersofa.
Gekommen sind dann vor allem die, die man sonst in einschlägigen Locations wie dem Dirt, dem Bergstübl oder der Donnerstagsbar in der Schwedterstraße trifft. Dann Musiker von Paula, Mina, No Underground oder Le Hammond Inferno. Oder Popjournalisten, die demnächst Mariah Carey in New York interviewen dürfen, Indie-Konzertveranstalter, Booker, Soap-Opera-Helden und auch Karel Duba, der vorne im Foyer Platten auflegt.
Gekommen sind anscheinend aber auch ein paar junge Menschen, die die Vorband aus Schweden sehen wollen: The Ark, die – typisch skandinavisch – keine Probleme damit haben, sich das Beste und Schlechteste von Bowie, Placebo, Iggy und Europe zu nehmen und zu einer rührend peinlichen Seventies-Glam-Mischung zusammenzurühren. Immerhin haben The Ark mit „It Takes A Fool To Remain Sane“ einen Hit, der im Musikfernsehen und im Radio läuft. Den spielen sie, wie es sich gehört, zum Abschluss ihres Gigs – und da ist das Maria kein Szenetreff mehr, sondern doch ein Laden, in dem sich die Viva-Jugend oder die Radio-Eins-Post-Jugend trifft, jubelt und schunkelt.
So daneben aber The Ark aussehen, so gut kommen tatsächlich die drei jungen Frontmänner von Zoot Woman und ihr Schlagzeuger rüber: Fein und teuer aussehende anthrazitgraue Anzüge tragen sie zu dunklen Hemden und Schlipsen, und irgendwie scheint dieses Outfit doch die richtige Wahl für ein Konzert im feucht-schwülen Showraum dieses Clubs zu sein. Ganz professionell spielen Zoot Woman die Songs ihres Albums, manchmal sogar mit einem Schlenker oder einer zusätzlichen Keyboardlinie, und auch der Sound stimmt und die Stimmung im Saal sowieso.
Gutes Fluten
Das Schöne an dem Auftritt aber ist, dass man es einfach nur gut fluten lassen kann. Da tauchen die Cars und ihr „Drive“ auf, das ein paar Stunden vorher auf einem Radiosender lief; da schauen Spandau Ballet vorbei, R.E.O. Speedwagon oder Tears For Fears, ob es nun passt oder nicht. So nowtro Zoot Woman sein mögen, die Zeitmaschine läuft und macht auch nicht Halt vor einer Band wie Daisy Chainsaw, die auf ihre Art ebenfalls mal eine Saison so groß wie Zoot Woman war und dann nie wieder. Da stört es nicht mal, dass man vor dem Konzert von jemandem mit den Worten begrüßt wird: „Du siehst irgendwie älter aus!“ (Das machen wohl auch die Achtzigerjahre?)
Ein okayes, ja den Umständen entsprechend geradezu gelungenes Konzert, das einen Kollegen immerhin zu der Annahme verleitete, Zoot Woman würden in diesem Jahr noch mal in einer großen Halle auftreten. Ob sie aber in zwanzig Jahren in der Wuhlheide noch ihre größten Hits der Nullerjahre spielen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen