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Tod nach Neonazi-Tritten

Nach einer Auseinandersetzung mit einem polizeibekannten Rechten starb am Himmelfahrtstag in Thüringen ein 27-Jähriger. Verdächtiger in Untersuchungshaft

Antifa: Gute Kontakte des Verdächtigen zu Verfassungsschutz-Spitzel Tino Brandt

BERLIN taz ■ Der Polizeipressesprecher von Saalfeld stöhnt: „Wo gibt es denn heutzutage keine rechte Szene“, wimmelt er die Frage nach rechtsextremen Aktivitäten in den thüringischen Städten Saalfeld, Rudolstadt und Bad Blankenburg ab. Dass das Thema schon wieder auf der medialen Tagesordnung steht, ruft bei Polizei und Justiz in Thüringen wenig Begeisterung hervor. Noch dazu, da es um einen Toten und einen stadtbekannten rechten Schläger geht.

Am vergangenen Donnerstag, an Himmelfahrt, kam es vor dem Freibad der 11.000-Einwohner-Stadt Bad Blankenburg zu einer Auseinandersetzung zwischen Steffen T., einem der Wortführer der lokalen rechten Szene, und dem 27-jährigen Axel U. Zunächst sei Axel U. verbal „angemacht“ worden, so Staatsanwalt Schultz aus Rudolstadt. Dann habe der 24-jährige Steffen T. zugeschlagen und zugetreten. Der Epileptiker Axel U. starb wenig später an schweren Kopfverletzungen.

Steffen T. stellte sich am Montag freiwillig und sitzt seitdem wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge in Untersuchungshaft. Er behauptet, er habe Axel U. lediglich geschubst und sei im Übrigen zu betrunken gewesen, um sich an Einzelheiten zu erinnern. Laut Staatsanwaltschaft gibt es mehrere Zeugen des tödlichen Angriffs, doch ein Motiv sei bisher nicht ersichtlich. Deshalb, so Staatsanwalt Gerd Michael Schultz, gehe er nicht von einer rechtsextremistisch motivierten Tat, sondern „von einer normalen Gewalttat“ aus. Fest steht, dass Steffen T. wegen Gewalt- und Körperverletzungsdelikten sowie wegen eines rechtsextremen Propagandadelikts vorbestraft ist. Zuletzt wurde er im August vergangenen Jahres wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe ausgesetzt zu zwei Jahren Bewährung verurteilt.

Der „Antifaschistischen Gruppe Saalfeld“ ist Steffen T. als einer der Wortführer der rechten Szene in Bad Blankenburg bekannt. Ein Sprecher der Gruppe berichtete gestern von wiederholten Übergriffen auf Skater und linke Jugendliche. Steffen T. habe zudem gute Kontakten zum NPD-Kader Tino Brandt gehabt. Dieser war Mitte Mai als Spitzel des Verfassungsschutzes enttarnt worden, was zu heftiger Kritik an Innenminister Christian Köckert (CDU) führte. Auch der Polizeipressesprecher der zuständigen Polizeidirektion Saalfeld bezeichnete Steffen T. gegenüber der taz als „bekennenden Rechtsradikalen“. Bei Steffen T. sei entsprechendes Propagandamaterial, darunter „Fotos von T. im Kreis von Kameraden bei rechten Aktivitäten“, gefunden worden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll Steffen T. Zeugen der Ereignisse am Himmelfahrtstag telefonisch bedroht haben.

Erste Reaktionen auf den Tod von Axel U. gab es in Bad Blankenburg auch schon: Am Sonntag demonstrierten 50 Jugendliche der Skater-Szene und schmückten den Tatort mit Blumen und Kerzen. Sie kritisierten, dass die Polizei die Öffentlichkeit viel zu spät über den Tod von Axel U. informiert und zudem die politischen Hintergründe ausgeblendet habe.

HEIKE KLEFFNER

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