: Eine Idee von Fußball
Im Spiel eins nach Übergangs-Teamchef Rudi Völler zeigt die deutsche Fußballnationalmannschaft beim 2:0 gegen die Slowakei unter Nachfolger Rudi Völler, dass sie ein paar Fortschritte gemacht hat
aus Bremen FRANK KETTERER
Jozef Adamec ist ganz offenbar ein Mann, der weiß, was sich gehört. Höflichkeit zum Beispiel, vor allem gegenüber seinem Gastgeber. Und so saß der Trainer der slowakischen Fußballnationalmannschaft also auf einem Podium irgendwo im Innern des Bremer Weserstadions und freute sich vor versammlter Presse ein Loch in den Bauch, darüber nämlich, „dass man uns die Gelegenheit gegeben hat, gegen so eine große Mannschaft wie Deutschland ein Spiel austragen zu dürfen“. Ach herrje, so was Nettes hat ja schon lange keiner mehr gesagt über Deutschland und seinen Fußball, und vielleicht beäugten einige Kollegen Herrn Adamec deshalb zunächst etwas misstrauisch, bis eben auch letzter Zweifel ausgeschlossen werden konnte: Der Mann hatte das keineswegs ironisch gemeint, sondern tatsächlich ernst und gar im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte.
Also dann: Wann wird denn Deutschland mit seiner großen Mannschaft nun endlich wieder Welt- oder Europameister? Die Antwort kommt von dem bayerischen Fußball-Sachverständigen Karl-Heinz Rummenigge. „Ab der EM 2004“, will der wissen, sei „Deutschland wieder titelfähig“, was eine ziemlich mutige Aussage ist, bloß weil diese große deutsche Mannschaft gerade ein belangloses Testspiel mit 2:0 gewonnen hat gegen die kleine Slowakei. Und allemal bewundernswert dabei ist, in welch Windeseile der gemeine deutsche Rumpelfüßler sich wieder retransformiert hat zum selbst in der Slowakei hoch geschätzten Fußball-Filigran.
Nur Zufall ist es natürlich nicht, dass ausgerechnet in den Tagen von Bremen Versuche einer Befindlichkeitsanalyse gestartet wurden. Zur Erinnerung: Seit dieser Woche hätte der Teamchef nicht mehr Rudi Völler heißen sollen, sondern Christoph Daum. Und schon ein sattes Maß an Schicksal muss sein, dass just an jenem Tag, an dem Daum erstmals auf der Bank der Nationalmannschaft hätte Platz nehmen dürfen, Anklage gegen ihn erhoben wurde wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Schnee von gestern ist das mittlerweile, zumindest für den deutschen Fußball. Denn längst ist das ganze Land glücklich darüber, dass Völler, diese zum Rudi Riesen mutierte Übergangslösung, die Geschicke der Nationalmannschaft nun auch weiterhin lenkt, ganz unabhängig davon, ob da nun ein unbedeutendes Testspiel gewonnen wird oder nicht.
Und doch war selbst in diesem mittelmäßigen Kick gegen die Slowakei zu spüren, warum Völler mittlerweile als Retter des deutschen Fußballs gefeiert wird: Zwar fehlten dem 41-jährigen Teamchef in Bremen gleich fünf Feld-Stammkräfte (Scholl, Jeremies, Hamann, Linke, Wörns), dennoch gab es zu sehen, was unter Vorgänger Erich Ribbeck nie zu sehen war: eine Grundordnung in der Mannschaft, eine Struktur im Spiel, diesmal vor allen Dingen repräsentiert durch die Achse Nowotny–Deisler. Das ist zwar nicht brasilianisch oder gar französisch, aber es ist allemal besser als das Deutsch, mit dem man zuletzt so grausam gequält wurde. Völler hat ganz offenbar eine Idee von Fußball und, mindestens ebenso wichtig: Er bringt es fertig, diese Idee an die Mannschaft zu vermitteln.
Und Völler hat dabei sogar personelle Alternativen, was zu beweisen das Testspiel in Bremen nun wirklich bestens geeignet ist, schon anhand der Debütanten im DFB-Dress: So machte Gerald Asamoah, der Schalker aus Ghana, der im Weserstadion als der erste in Afrika geborene Spieler in die DFB-Historie eingezogen ist, auf der rechten Seite nicht nur eine ganze Menge Wirbel, sondern in der 50. Minute auch ein Tor. Asamoah ist 22 Jahre alt und damit nur ein paar Monate älter als Sebastian Kehl vom SC Freiburg, der in der zweiten Halbzeit für den Berliner Marco Rehmer kam, sofort in die zentrale Abwehrposition rückte und von dort mutige Vorstöße nach vorne wagte, was ihm prompt ein Extralob („Der Jungspund hat seine Sache gut gemacht“) von Völler einbrachte. Oder Jörg Böhme (27), der „Bekloppte“ aus Schalke, der Marco Bode später auf der linken Flanke ersetzte und prompt den Eckball zum 2:0 (56.) auf den Kopf von Frank Baumann drosch (bei den anstehenden WM-Qualifikationsspielen aber wegen der Fehlgeburt seines Kindes fehlen wird). Und selbst der Dortmunder Lars Ricken, 24, und einst hochgejazzte Nachwuchshoffnung, durfte in Halbzeit zwei nach zweijähriger Abstinenz im DFB-Trikot wieder mitmischen.
Natürlich darf man all diese Dinge nicht überbewerten, das wissen sie selbst schon auch. „Die Medien sollten den Ball jetzt ein bisschen flach halten. Ich muss die Leistung erst mal bestätigen“, mahnte beispielsweise Sebastian Kehl an, während Gerald Asamoah brav versprach, „auf dem Teppich zu bleiben“. Und auch Teamchef Völler hakte die Partie als das ab, was sie war: ein Test vor den weit wichtigeren WM-Qualifikationsspielen gegen Finnland (Samstag in Helsinki) und Albanien (Mittwoch in Tirana). „Der Test ist geglückt“, stellte Rudi Völler nach den 90 Minuten im Weserstadion immerhin fest. Mehr aber auch nicht.
Deutschland: Lehmann - Rehmer (46. Kehl), Nowotny, Baumann - Asamoah (64. Zickler), Ramelow, Ballack (80. Ziege), Bode (46. Böhme), Deisler (46. Ricken) - Neuville (64. Frings), Bierhoff (74. Klose)Slowakei: Konig (77. Bucek) - Karhan, Timko, Varga, Smelko - Slovak (46. Bencik), Tomaschek (65. Peter Nemeth), Demo (46. Vittek), Gresko - Szilard, Nemeth (46. Dzurik), Janocko (65. Babnic) Zuschauer: 18.000; Tore: 1:0 Asamoah (50.), 2:0 Baumann (56.)
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