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Pessar statt Pille

In China bestimmt der Staat die Familienplanung. Die Pille ist problemlos zu kriegen. Trotzdem benutzen sie nur wenige Frauen

PEKING taz ■ Die 31-jährige Zhang Yuan ist schwanger und glücklich. Ihr Baby wird ein Wunschkind. Sie ist gesund, der Ehemann freut sich auf den Nachwuchs. Vor allem aber: „Die Papiere sind in Ordnung.“ Seit vergangenem Jahr gelten in der chinesischen Hauptstadt neue Regeln: Wer ein Kind bekommen will, braucht ein „rotes Büchlein“. Darin bescheinigen die Arbeitgeber der Eheleute und das Straßenkomitee dem Paar, dass es berechtigt ist, ein Baby in die Welt zu setzen: Die beiden haben noch kein Kind, sie sind alt genug und gesund.

Dieses Dokument berechtigt die Eheleute zudem, selbst zu entscheiden, wann Zhang Yuan schwanger wird. Bis zum vorigen Jahr hatte die lokale Familienplanungsbehörde noch festgelegt, wann genau ein Ehepaar sein Kind bekommen durfte. Dieser zeitliche Zwang existiert für Peking nicht mehr, da die Zahl der Geburten unter den festgesetzten Quoten blieb.

Dreimal hat die Lehrerin abgetrieben, bevor sie sich jetzt für das Kind entschied. Das erste Mal, vor zehn Jahren, geschah es per Ausschabung im Krankenhaus. Später schluckte sie zweimal die „Pille danach“. „Eine normale Geschichte“ sagt sie.

Obwohl die Monatspille längst problemlos und preisgünstig in den Kliniken der Hauptstadt zu erhalten ist, hat Zhang Yuan, eine elegante junge Frau, sie nur kurze Zeit eingenommen. Sie hatte gehört, „dass man dick wird oder Pickel kriegt. Ob das stimmt, weiß ich nicht, aber ich wollte es nicht darauf ankommen lassen.“ Zhang weiß von einer Kollegin, die von der Pille schwärmt, „weil sie endlich keine Angst mehr vor ungewollter Schwangerschaft haben muss“.

Ihre Informationen über Empfängnisverhütung und die Nebenwirkungen der Pille holt sich Zhang aus Gesprächen mit Freundinnen oder aus Zeitungsartikeln. In ihrer Familie ist das Thema tabu – „das ist einfach zu peinlich“, sagt sie. Manchmal verwendeten Zhang Yuan und ihr Mann Kondome, „obwohl er das nicht so mag“. Die „Verhütungshüllen“, wie sie auf Chinesisch wörtlich heißen, sind inzwischen weit verbreitet: Sogar in einigen Pekinger Universitäten können sich die Studenten Kondome für umgerechnet 50 Pfennig das Stück aus einer Maschine im Wohnheim ziehen – was in den Zeitungen zu heftigen Debatten über den Sittenverfall der Jugend führte.

Frauen, die schon ein Kind haben, lassen sich oft ein Pessar einsetzen, was Ärzte und Familienplanungsbeamte als sicherste Verhütung bevorzugen.

Laut einer Statistik über die in ganz China verbreiteten Verhütungsmethoden, die von der staatlichen Familienplanungsbehörde veröffentlicht wurde, war Ende der Neunzigerjahre über ein Drittel der Frauen im gebärfähigen Alter und fast 10 Prozent der Männer waren sterilisiert worden. Gut 45 Prozent der Frauen benutzten Pessare und nur knapp 4 Prozent der Männer Kondome. Zur Pille greifen Frauen wie Zhang Yuan nur zögerlich: Nur 2 Prozent aller Chinesinnen schlucken sie.

JUTTA LIETSCH

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