: Lufthansa goes Offline
■ Virtuelle Demos und Sit-ins: Online-Aktivist aus den USA berichtet in Hamburg über elektronischen Widerstand
Computer wurden im politischen Widerstand bisher überwiegend von Profis eingesetzt: Von „Hackern“, die in fremde Datenbanken eindrangen und diese manipulierten. In den USA entwickelten linke AktivistInnen Mitte der 90er Jahre die Idee des „zivilen elektronischen Widerstandes“, der statt auf ausgefeilte Computerkenntnisse auf zahlreiche Teilnahme setzt. Der Mitbegründer der Pioniergruppe „Elektronic Disturbance Theater (EDT)“, Ricardo Dominguez, wird heute in Hamburg über elektronischen Widerstand berichten – anlässlich der für den 20. Juni geplanten Online-Demontration gegen die Lufthansa.
Die Blockade der Lufthansa-Website wird die erste Aktion dieser Art in der Bundesrepublik sein. Am Tag der Aktionärsversammlung am 20. Juni soll um 10 Uhr der Zugang zum Internet-Portal der Airline für KundInnen versperrt sein – ähnlich wie bei einem Sit-in. Mit der „Online-Demonstration against Deportation Business“ protestiert die Kampagne „Kein Mensch ist illegal“ zusammen mit der Gruppe „libertad“ gegen die jährlich etwa 10.000 Abschiebungen von Flüchtlingen an Bord von Lufthansa-Maschinen. Die Blockade soll das Vertrauen der KundInnen in die Airline erschüttern und diese dazu bewegen, aus dem Abschiebegeschäft auszusteigen.
Da ein Großteil der Flüge unter dem Kranich-Logo mittlerweile über das Internet gebucht wird, ist diese „größte Filiale“ der Ort des Protestes. Um den Charakter einer öffentlichen Demonstration zu unterstreichen, hat „Kein Mensch ist illegal“ diese beim Ordnungsamt Köln angemeldet. Wie die Online-Demo ablaufen wird, werden weitere Referenten heute abend berichten.
Politischen Widerstand ins Netz zu verlegen ist die Konsequenz aus der Entwicklung zum „Informationszeitalter“. Bisher setzten Aktionen darauf, sich zu den Adressaten des Protestes direkt hinzubewegen und dort den normalen Ablauf zu stören, durch Kundgebungen vor Ausländerbehörden oder Blockaden vor Firmensitzen beispielsweise. Die aber treten mittlerweile immer weniger lokal gebunden auf.
Erstmals 1995 organisierte deshalb die Gruppe „Strano Network“ ein virtuelles Sit-in: Per Computer protestierten die TeilnehmerInnen gegen die Atomtests Frankreichs auf dem pazifischen Atoll Mururoa.
Die Gruppe „Electronic Disturbance Theater“ von Ricardo Dominguez, der heute abend in der Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) referieren wird, initiierte zwischen 1998 und 1999 über 16 sit-ins auf Sites der mexikanischen Regierung, um die Forderungen der Zapatistas zu unterstützen. Die EDT betont aber, dass der virtuelle Protest Offline-Aktionen auf der Strasse nur ergänzen, nicht ersetzen kann: „Das Netz ist ein sehr effektives Werkzeug – aber eben auch nicht mehr als ein Werkzeug.“
Elke Spanner
Heute abend, 19 Uhr, HWP, Uni-Campus. Infos zur Lufthansa-Blockade: http://go.to/online-demo
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