: Der Hoffnungsträger ist grau geworden
Wegen des Verdachts der Untreue droht dem rheinland-pfälzischen CDU-Chef Christoph Böhr ein Ermittlungsverfahren
47 Jahre alt, geboren im Eifelörtchen Mayen, ein rundes Gesicht mit randloser Brille, kein großer Mann, aber beweglich. Manche sagen, er ähnele dem Entertainer Harald Schmidt. Die meisten aber finden seine Pointen dafür zu matt.
Christoph Peter Maria Böhr ist seit seiner Schulzeit im Raum Trier zu Hause und katholisch erzogen. Ein umtriebiger Charakter mit vielerlei Interessen. Germanistik, Politik, Philosophie und Geschichte hat er studiert, ehe er 1980, gleich nach dem Examen, in den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages wechselte. Für ein Forschungsprojekt kehrte er an die Universität zurück: „Immanuel Kant und die Philosophie der Aufklärung“.
Moral hin, kategorischer Imperativ her, die Aufklärung liegt nun für den rheinland-pfälzischen CDU-Chef, der immer akkurat wie aus dem Ei gepellt scheint, wieder einmal in den Händen den Staatsanwaltschaft Mainz. Ermittlungen, weil 250.000 Mark für Werbebroschüren aus der Fraktions- in die Parteikasse des Landesverbandes geflossen sein sollen.
Der einstige Hoffnungsträger der Union, der seit 1991 vergeblich versuchte, der SPD die Mehrheit in Rheinland-Pfalz abzujagen, ist mit den Jahren grau geworden. Nach den Erbfolgekriegen der Landespartei 1988 galt er als Erneuerer, als einer, der für die Verjüngung der CDU stand. Bis ihn 1997 eine erste Geldbuße von 10.400 Mark ereilte, weil er eingestehen musste, in vier Fällen gegen die Richtlinien zur Bewirtung von Landtagsbesuchern verstoßen zu haben.
Böhr, Zigarettenraucher und Parteiarbeiter rund um die Uhr, promovierte nebenbei im vergangenen Winter „magna cum laude“ zum Doktor der Philosophie. Als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl im März aber musste er zum dritten Mal eine Schlappe hinnehmen. Da nützte es auch nichts, dass ihm die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel zum Wahlkampfauftakt den passenden Doktorhut aus den USA mitgebracht hatte.
„Ein Kopf, mehr als ein Gesicht“, hatte er plakatieren lassen. Und eben dieses Image war denn auch sein größtes Problem. Die Wählergunst neigte mehr zum Bauch. Bei Sympathieumfragen lag er weit hinter dem amtierenden Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD). Zu wenig volkstümlich sei er, zu kopflastig. Ein Ferkel als bodenständiges Geschenk seiner heimischen Parteifreunde konnte daran ebenso wenig ändern wie Böhrs Auftritte im Blaumann und populistische Tankstellenaktionen gegen zu hohe Benzinpreise und die Berliner Öko-Steuer.
Zu frisch war wohl auch noch die Erinnerung an den Trierer Caritas-Skandal und den Prozess gegen den „Paten von Trier“, Hans-Joachim Doerfert. Auch Böhr hatte als Zeuge aussagen müssen. Doerfert soll nicht nur die Kassen von Böhrs politischem Ziehvater Helmut Kohl, sondern auch die des kanzlernahen rheinland-pfälzischen Landesverbandes mit Schmiergeld gefüllt haben.
Böhr hielt in Treue fest zum Exkanzler, beließ dessen silbergerahmtes Konterfei demonstrativ auf seinem Schreibtisch und verteidigte Kohl in engagierten Reden gegen alle Angriffe. Der dankte und lobte die „Gradlinigkeit und Sachkunde“ des Kandidaten.
In der kommenden Woche will die Mainzer Staatsanwaltschaft prüfen, ob Böhr Fraktionsgelder veruntreut hat.
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