: Der Deregulierung folgt neue Regulierung
Kalifornien will die Strompreise nicht mehr dem freien Markt überlassen. Präsident Bush wehrt sich gegen jede Kappungsgrenze. Aber im Senat haben nun die Demokraten das Sagen. Und die planen schon eine Gesetzesinitiative
NEW YORK taz ■ Preislimit für Strom oder nicht? Das ist der Streit, den die kalifornische Regierung mit Präsident George W. Bush ausficht. Bush lehnt die Forderung von Gouverneur Gray Davis ab, Energieerzeugern eine Obergrenze zu setzen. „Preislimits tragen nicht dazu bei, die Nachfrage zu vermindern und das Angebot zu erhöhen“, so Bush. Zahlreiche Volkswirte sind anderer Meinung.
„Das Problem Kaliforniens ist nicht, wie man das Angebot erhöht“, meint Wirtschaftsprofessor Paul Krugman. Dafür sei es zu spät. Kalifornien hat bereits Baugenehmigungen für 15 neue Kraftwerke erteilt und laut Davis „das ehrgeizigste Energiesparprogramm des ganzen Lande“ eingeführt. Doch wird dies an der akuten Stromknappheit kaum etwas ändern, die die bevorstehenden Hitzewellen mit sich bringen werden. Prognosen zufolge muss der Strom im Sommer für mindestens 260 Stunden abgeschaltet werden.
Die Stromerzeuger nutzen die Knappheit aus. 1999 gab Kalifornien rund 7 Milliarden Dollar auf dem Elektrizitätsgroßmarkt aus, 2000 waren es 27 Milliarden, und in diesem Jahr könnten es 50 Milliarden werden. Pro Einwohner sind das 1.500 Dollar mehr in nur zwei Jahren.
So droht Kalifornien, in eine Wirtschaftskrise zu rutschen. Unternehmen wie Intel investieren nicht mehr, der Staat muss sich höher verschulden. Früher waren die Strompreise an die Erzeugungskosten gekoppelt. Doch seit Kalifornien den Strommarkt vor fünf Jahren dereguliert hat, können Produzenten verlangen, was der Markt hergibt. Ausnahmen gelten nur für Erzeuger mit einer marktbeherrschenden Stellung. Doch wenn, wie jetzt in Kalifornien, jede Kilowattstunde zählt, hat jeder Kraftwerksbetreiber quasi monopolistische Preisgestaltungsspielräume.
Genau damit will Gouverneur Davis aufräumen. Und seine Chancen sind gestiegen, weil die Demokratische Partei in dieser Woche die Führung im Senat übernimmt. Der neue Energieausschussvorsitzende Jeff Bingaman kündigte bereits eine Gesetzesinitiative für Preislimits in den Westküstenstaaten an. Die Demokraten werden jede Gelegenheit nutzen, den Ölmann Bush bloßzustellen. Immerhin hatten ihm die fünf Firmen, die die meiste Energie an Kalifornien liefern, für den Wahlkampf 3,6 Milliarden Dollar gespendet.
Einen Lichtblick gibt es für die kalifornischen Stromkunden, obwohl sie dieser Tage um 30 Prozent angehobene Stromrechnungen erhalten. Weil der Hauptbrennstoff Erdgas wieder billiger wird, vor allem aber, weil das Energiesparen Wirkung zeigt, sind die Elektrizitätspreise in den letzten Wochen gegenüber den Spitzenzeiten um bis zur Hälfte gesunken. Im März und April lag der Energieverbrauch neun Prozent unter dem prognostizierten Wert. Und wenn die Kalifornier nun vor Schreck über die Stromrechnungen die Klimaanlagen drosseln, dürfte sich der Effekt noch verstärken. Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat bereits die Sorge geäußert, dass jetzt so viele neue Kraftwerke gebaut werden, dass bald ein Stromüberangebot herrscht. NICOLA LIEBERT
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