piwik no script img

Blair schreibt jetzt schon Geschichte

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte kann die Labour-Party eine zweite Amtszeit als Regierungspartei antreten

DUBLIN taz ■ Es war wieder ein „historischer Augenblick“ für den britischen Premierminister Tony Blair. Seine Labour Party hat die Parlamentswahlen am Donnerstag erneut mit großem Vorsprung vor den Tories gewonnen. Labour schickt 414 Abgeordnete ins Unterhaus, nur vier weniger als 1997. Die Tories konnten nur zwei Mandate hinzugewinnen und stellen 167 Abgeordnete. Labour hat nun eine Mehrheit von 167 Sitzen, das sind zwölf weniger als bisher.

„Wir haben das Mandat, die Arbeit fortzusetzen, die wir vor vier Jahren begonnen haben“, freute sich Blair. Noch nie in der Geschichte hat Labour für zwei volle Amtszeiten regiert. Allerdings lag die Wahlbeteiligung diesmal unter 60 Prozent. So wenige Menschen hatten zuletzt 1918 gewählt.

Tory-Parteichef William Hague kündigte noch gestern seinen Rücktritt an: „Niemand ist unersetzbar. Ich glaube, es ist überaus notwendig, dass die Partei jetzt einen Führer wählen kann, der auf meine Arbeit aufbauen und neue Initiativen ergreifen kann, um hoffentlich mehr Anhänger im ganzen Land zu gewinnen.“ Der frühere EU-Kommissar Lord Brittan machte Hagues europafeindlichen Wahlkampf für die Niederlage verantwortlich. „Die Tories erschienen schrill und extremistisch“, sagte er. „Die Liberalen Demokraten waren die proeuropäischste Partei. Sie haben Stimmen und Sitze hinzugewonnen.“

Die Liberalen kamen auf 52 Sitze, sechs mehr als vor vier Jahren. Es war für die Partei das beste Ergebnis seit den Zwanzigerjahren. „Wir sind die Partei der Zukunft“, sagte Parteichef Charles Kennedy gestern. „Unser Stimmenzuwachs im ganzen Land bedeutet, dass wir eine verantwortungsvolle Opposition im nächsten Parlament sein werden.“

Peter Mandelson, ein enger Vertrauter von Tony Blair, konnte im nordostenglischen Hartlepool sein Mandat souverän gegen den Tory-Kandidaten Gus Robinson und den Bergarbeiterführer Arthur Scargill verteidigen. Mandelson, der wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten zweimal aus Blairs Kabinett zurücktreten musste, war von vielen bereits abgeschrieben worden. „Man hat mich unterschätzt“, sagte er. „Ich bin ein Kämpfer.“ In Oldham, wo es im Mai zu Auseinandersetzungen zwischen asiatischen Jugendlichen und Neonazis gekommen war, schnitt die rechtsextremistische British National Party überraschend gut ab. Sie kam in zwei Wahlkreisen auf mehr als 11.000 Stimmen.

In Schottland hat die Labour Party ihr gutes Ergebnis von 1997 gehalten und gewann 56 von 72 Sitzen. Die Tories, die vor vier Jahren kein einziges Mandat erhielten, konnten der Schottischen Nationalen Partei SNP den Sitz in Galloway abnehmen. Die SNP erreichte fünf Unterhaussitze, die Liberalen Demokraten kamen auf zehn. Unerwartet erfolgreich war die Schottische Sozialistische Partei, die rund 70.000 Stimmen gewann und in Glasgow-Maryhill die Tories auf den fünften Platz verwies.

Das Pfund Sterling war auf Grund des deutlichen Wahlergebnisses gestern auf seinem tiefsten Stand seit 15 Jahren. Ein Euro ist 61 Pence wert, für ein Pfund bekommt man 1,38 Dollar. An den Finanzmärkten erwartet man, dass Großbritannien binnen zwei Jahren der Euro-Zone beitreten wird, und zwar zu einem niedrigen Kurs.

RALF SOTSCHECK

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen