Jetzt schlägt die Stunde des Machers

Einen Monat nach den Wahlen kann Premierminister Silvio Berlusconi sein Kabinett bilden. Mit seiner Partei, die alle Schlüsselressorts bekommt, will er die Wende in Italien einleiten. Auch die Postfaschisten und Bossis Lega Nord sind gut bedient

aus Rom MICHAEL BRAUN

Italiens 59. Nachkriegsregierung ist komplett. Am Samstag abend hatte Silvio Berlusconi von Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Schon am Sonntag Morgen stellte er sein Kabinett vor, das heute den Amtseid leisten wird. Angesichts der klaren Mehrheitsverhältnisse in beiden Parlamentskammern ist die Vertrauensabstimmung eine pure Formalie.

Berlusconi findet sich damit wieder in der Rolle, die ihm am meisten behagt: die des zupackenden Tatmenschen. Sich selbst lobte er sogleich für seine „Blitzentscheidungen“. Endlich könne er jetzt „arbeiten gehen“. Schuld daran, dass seit den Wahlen bis zu seiner Bestallung vier Wochen verstrichen, sei „das System“. Eine der typischen Halbwahrheiten Berlusconis: Zwar hatte er erst die Konstituierung der beiden Kammern, die Wahl der Parlamentspräsidenten, die Konsultationen beim Staatspräsidenten abzuwarten – zugleich aber brauchte er Zeit, um die Koalition auf Linie zu bringen.

Mit dem Resultat darf er zufrieden sein. Aus der Regierungsbildung geht er als klarer Sieger hervor, ohne Verlierer zu hinterlassen. Die postfaschistische Alleanza Nazionale (AN) darf sich freuen, mit ihrem Chef Gianfranco Fini den Vizepremier zu stellen. Zwar erhielten die Postfaschisten kein weiteres schwergewichtiges Ministerium. Berlusconi stellte sie aber mit einem Tausch „Quantität gegen Qualität“ ruhig. Offenbar war der Plan, den politischen Mussolini-Erben das Verteidigungsministerium einzuräumen, am US-amerikanischen Widerstand gescheitert. Stattdessen erhalten die Exfaschisten jetzt das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium sowie das Kommunikationsressort. Berlusconi hätte in diesem für die TV-Gesetzgebung zuständigen Haus gern einen Mann aus seiner Partei gesehen, doch mit dem AN-Minister Maurizio Gasparri kann er gut leben: Gasparri gilt als engster Berlusconi-Freund bei Alleanza Nazionale.

Auch die Lega Nord kommt mit drei Ministern gut weg. Neben Parteichef Umberto Bossi, der für „Devolution“ – sprich für den föderalen Umbau – zuständig sein soll, stellt sie die Minister für Justiz sowie für Arbeit und Gesundheit. Die gewichtigsten Ressorts aber – Inneres, Äußeres, Verteidigung, Wirtschaft – hat sich Berlusconis Forza Italia gesichert. Mit den Berufungen des Ex-WTO-Chefs Renato Ruggiero zum Außenminister sowie des in den USA sehr beliebten Ökonomieprofessors Antonio Martino zum Verteidigungsminister hält sich Berlusconi nicht nur gegenüber dem Ausland den Rücken frei. Er nimmt zugleich eine wichtige Akzentverschiebung vor: Künftig werden die „besonderen Beziehungen“ zu den USA Vorrang gegenüber der Treue zur EU erhalten. Das Kalkül ist klar: Im Schutz guter Beziehungen zur Bush-Administration kann das Kabinett Berlusconi als europaskeptischer Bewahrer nationaler Interessen agieren, ohne sich eine Haider-Debatte aufzuhalsen.

In der Wirtschaftspolitik stehen der neue starke Mann Giulio Tremonti – der als „Wirtschaftsminister“ die Zuständigkeit für das bisherige Schatz- und das Finanzministerium erhält – sowie der für „produktive Aktivitäten“ verantwortliche Antonio Marzano für den neuen Kurs. Die beiden Ökonomen sind neoliberale Eiferer, denen nun die Umsetzung der Steuersenkungs- sowie der Entrümpelungspläne bei Gewerkschafts- und Arbeitnehmerrechten obliegt. Die personellen Voraussetzungen für die Wende sind geschaffen – und ein Aufseher im Kabinett bestellt: Als Minister ohne Geschäftsbereich soll sich der bisherige Forza-Italia-Fraktionsvorsitzende Beppe Pisanu der „Umsetzung des Regierungsprogramms“ widmen.