piwik no script img

Humanbretter für die Kunst

Roland Schimmelpfennigs „Aus den Städten in die Wälder . . .“ im bat-Studio Theater

Es geht um die Frage, wo sich die Bäume finden lassen, aus denen man die Bretter zimmern kann, die später die Welt bedeuten

Beim Bauen können manchmal ziemliche Probleme entstehen. Besonders beim Theaterbau. So mancher im Neuen Berlin kann inzwischen ein Lied davon singen. Aber sicher kein so schönes wie Roland Schimmelpfennig, der sonst mit romantischen kleinen Dramen den Sozialarbeiterblues an Ostermeiers Schaubühne rosarot aufweicht.

Das Bauproblem, das bei ihm gelöst werden muss, dreht sich um die Frage, wo denn im Wald jene geheimnisvollen Bäume wachsen, aus denen sich die berühmten Bretter zimmern lassen, die dann später die Welt bedeuten sollen. Auf der Suche danach geraten Menschen „aus den Städten in die Wälder“ und hoffen, das Holz „aus den Wäldern in die Städte“ zurückzubringen. Doch weil wir nicht im Leben sind, wo man diese Dinge eher prosaisch beziehungsweise mit der Kreissäge löst, sondern im Theater, wird ein echtes Drama daraus. Denn die Menschen kehren aus den Wäldern nicht zurück.

„Aus den Städten in die Wälder, aus den Wäldern in die Städte“ heißt das Stück, das Piet Drescher nun am bat-Studiotheater der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ mit Schauspielstudenten des 3. Studienjahrs und dazugehörigen Lehrern (Veit Schubert und Michael Keller) inszeniert hat.

In den schräg ansteigenden Bühnenboden ist eine Badewanne eingelassen, wo sich eine Schöne räkelt. Im Schaum treiben auch ein paar Rosenblätter. Nicht ganz so viele wie im Film „American Beauty“, aber das Vorbild von Schimmelpfennigs Geschichte war ja auch nicht der Kinofilm, sondern eher Shakespeares Sommernachtstraum. Auch da verirren sich zwei Paare, die sich über Kreuz begehren, im Wald und erleben mit den dort ansässigen Waldgeistern ihr blaues Wunder.

Oberon und Titania heißen bei Schimmelpfennig schlicht Bruno und Ilse, und Bruno hat sich den modernen Zeiten insofern angepasst, als er durch Telefonleitungen zu reisen versteht. Ein virtueller Elfenkönig sozusagen, was Ilse wieder überhaupt nicht gefällt, die die magischen Kräfte der Natur gegen die Technik verteidigt. Deshalb lernen die Menschen, die sich in ihrem Wald verirren, die Natur von ihrer unheimlichen Seite kennen. Aus ihren Füßen wachsen Wurzeln, sie selbst erstarren zu Bäumen. Und wir ahnen schließlich, dass es sich bei den Bäumen, die später der Bühnenbau so dringend verlangt, um derart erstarrte Menschen handelt, die auf diesem Wege sinnvoll recykelt werden.

Vorher gibt es aber noch die theatererforderlichen Irrungen und Wirrungen. Heide, die Theaterarchitektin, spricht also mit Bäumen, um unter ihnen eben jene Exemplare ausfindig zu machen, die sie so dringend für ihren Theaterbau braucht.

Ulrich, ihr Mann, hält sie für völlig abgedreht und tröstet sich mit Anne, der Schönen aus der Badewanne. Annes Mann wiederum ist von Heides somnambulen Baumgesprächen mehr als fasziniert. Und dass ihr Mann nun eine andere begehrt, macht ihn für Anne wieder attraktiv. Und auch die Waldgeister Bruno und Ilse haben mit Beziehungsproblemen zu kämpfen.

Dazwischen entfaltet der Theaterwald, wo sich alle wiederfinden und verlieren, seinen Budenzauber. Allerlei Klanghölzer werden geschlagen, es sirrt und zirpt aus Schauspielstudentenmund. Und manchmal riecht es wirklich nach Blättern und Bäumen. Natürlich ist dies Märchen, dass die Kunst in den Theaterbau kommt, weil die Bühnenbretter aus einst lebenden Menschen gezimmert wurden, auch ein bisschen kitschig. Aber das ist nun mal der Stoff, aus dem die Träume an Schauspielschulen sind. Deswegen war dieser schöne Theaterabend dort auch einhundert Prozent richtig aufgehoben.

ESTHER SLEVOGT

„Aus den Städten in die Wälder, aus den Wäldern in die Städte“ von Roland Schimmelpfennig. Die nächstenVorstellungen finden am 4. und 5. Juli um 20.00 Uhr im bat-Studiotheater,Belforter Str. 15, Prenzlauer Berg statt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen