Ein Signal gegen den roten Filz

In Saabrücken wurde gestern der erste schwarz-grüne Koalitionsvertrag einer deutschen Großstadt unterzeichnet. Der SPD-Oberbürgermeister, wegen eines Privatbaus in die Schlagzeilen geraten, muss nun gegen eine neue Farbenlehre regieren

von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Die Fraktion der Grünen im Rathaus von Saarbrücken votierte schon vor knapp fünf Wochen einstimmig für das Bündnis mit der Union. Die Basis zog Ende Mai mit einem knappen Votum nach. Seit der Vertragsunterzeichnung gestern ist es nun offiziell: Die erste schwarz-grüne Koalition in einer deutschen Großstadt, einer Landeshauptstadt zumal, wird politische Realität.

Mit der SPD sei „absolut nichts mehr gegangen“, meinte die Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen, Gabriele Langenstein. Der rote Filz liege „meterdick“ über der Stadt. Die Grünen mit ihren sechs Abgeordneten sind nunmehr das Zünglein an der Waage im Stadtparlament. Knapper geht es nicht mehr: Die CDU hat 29 Sitze, die SPD seit den letzten Kommunalwahlen im Februar 1999 nur noch 28 Sitze.

Es waren die Grünen, die der gebeutelten SPD nach der Wahlniederlage zunächst wieder ein Comeback als Regierungspartei ermöglichten. Es wurde Rot-Grün koaliert – und die Union als stärkste Fraktion hatte das Nachsehen. Doch die Sozialdemokaten dankten den Grünen diesen politischen Liebesdienst nicht. Im Gegenteil. Wiederholt seien sie „von der arroganten SPD abgebügelt worden“, sagt Gabriele Langenstein rückblickend. Und als dann noch vier „Dissidenten“ bei den Sozialdemokraten die fest verabredete Wahl des grünen Kandidaten Dieter Grünwald zum Baudezernenten der Stadt Saarbrücken sabotierten, sei das Maß voll gewesen: „Da war dann Schluss – nach nur zwei Monaten.“

Danach wurde mit wechselnden Mehrheiten operiert, von allen drei Parteien. Der im Februar 2001 wieder zum Oberbürgermeister gewählte Hans-Joachim Hoffmann (SPD), der nunmehr einer schwarz-grünen Mehrheit gegenübersteht, wollte die Grünen zunächst besänftigen: mit einem Bürgermeisterposten. Bis vor wenigen Monaten sprach man in Saarbrücken daher schon von einer Neuauflage der rot-grünen Stadtkoalition. Doch dann gab es Unregelmäßigkeiten beim Bau von Hoffmanns Privathaus, ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet. Um einem Strafverfahren vor Gericht zu entgehen, erklärte sich Hoffmann bereit, einen Strafbefehl „wegen Untreue“ zu akzeptieren. Für die Grünen kam das einem Schuldeingeständnis gleich. Das gerade geknüpfte zarte Band war zerrissen. Da bot sich die CDU den Grünen an. Und nach nur zwei Verhandlungsrunden mit der Union erklärte die Stadtverordnete Claudia Schmidt am 4. Mai: „Wir tendieren zur CDU.“ Von einer Koalition wollte Schmidt da allerdings (noch) nicht reden; es gehe um eine „punktuelle Zusammenarbeit“. Die Fraktion informierte in den Tagen danach die Mitglieder des Stadt- und Kreisverbandes ausführlich. In den Debatten mit der Basis ging es auch um die nicht hinwegzudiskutierende politische Brisanz einer festen Zusammenarbeit mit der CDU und um deren Signalwirkung. Aber mehr noch um die Chancen, grüne Politik punktuell jetzt tatsächlich umsetzen zu können. Schließlich sei mit der Union über ein „Antikorruptionsprogramm“ verhandelt worden: gegen den roten Filz. Und dem grünen Herzensanliegen, „fahrradfreundliche Stadt“, stimmte die CDU ebenso zu wie der Sicherung sozialer und kultureller Projekte.

Die Nagelprobe auf ihre Koalitionstauglichkeit bestand die Union schon in der vergangenen Woche. Mit den Stimmen von CDU und Grünen wurde die finanzielle Unterstützung der freien Kulturszene beschlossen. Das Geld dafür kommt vom (unionsregierten) Land. Ministerpräsident Peter Müller jedenfalls gehörte, wie auf der anderen Seite etwa der französische Europaabgeordnete Dany Cohn-Bendit, zu den entschiedenen Befürwortern der schwarz-grünen Koalition in Saarbrücken. Weiteren Widerstand gegen die schwarz-grüne Option hat bislang nur der Landesvorsitzende der Grün-Alternativen Jugend (GAJ) signalisiert: Das „unglückliche Exempel“, so Christian Klein, sei nur ein „Postenschacher“. Um Posten geht es tatsächlich – auch. Die CDU überlässt den Grünen das Bürgermeisteramt und noch ein Dezernat (Kultur und Schule) dazu. OB Hoffmann (SPD) will offenbar nicht mit der neuen Koalition die Stadt regieren, sondern gegen sie. Gegen das von der Koalition avisierte neue Finanzdezernat, das mit einem CDU-Mann besetzt werden soll, hat er schon Widerstand signalisiert.