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Springer kämpft den Frontstadtkampf

Auf das Boulevardblatt „B.Z.“ können sich Diepgen und die CDU noch immer verlassen – auf Biegen und Brechen

Wenn es nach der B.Z. geht, hat Berlin seit gestern einen neuen Bankenskandal. „Ex-SPD-Senatorin Fugmann-Heesing vertuschte Steuer-Hinterziehung“, titelte Spingers Boulevardblatt auf Seite 1. Dass neben der SPD-Frau auch mindestens zwei CDU-Herren im Aufsichtsrat der Landesbank Berlin getrickst haben sollen, erfährt der Leser nur im Innenteil.

Das lokale Flaggschiff aus Deutschlands größtem Zeitungskonzern hält auf Biegen und Brechen zur CDU und Eberhard Diepgen – und übertrifft damit noch um Längen die ebenfalls parteiliche Berichterstattung des Springer-Schwesterblatts Berliner Morgenpost.

Die machte gestern Stimmung für die PDS und gefiel sich in kühnen Interpretationen von Umfrageergebnissen, nach denen gut die Hälfte der BerlinerInnen Gregor Gysi für einen passablen Regierenden Bürgermeister hält: „Mehrheit der Berliner für Gysi“. Weit weniger deutlich ließ sich das Blatt darüber aus, dass auch die Kandidaten von SPD und CDU rund 50 Prozent Zustimmung erhalten hatten. Dahinter steht die durchsichtige Taktik, Gysi zu einer Kandidatur zu bewegen – um den Dämon PDS noch wirkungsvoller auf die kleinbürgerliche Morgenpost-Leserschaft in Westberlin niederregnen zu lassen.

B.Z.-Chefredakteur Georg Gafron kämpft dagegen noch den echten Frontstadtkampf. Das Outing von SPD-Kandidat Klaus Wowereit kommentierte er höchstpersönlich: „Schwul sein ist kein Verdienst.“ Mit Parolen wie „Diepgen-Abwahl – SPD-Front bröckelt“ macht man sich Mut. Wenn selbst Diepgen nicht mehr dran glaubt, dann tut es wenigstens Gafron. Am Tag, als die Koalition zerbrach, ließ er die B.Z. ein absurdes Ablenkungsmanöver fahren – mit der Schlagzeile: „Katzen zu Rheuma-Decken verarbeitet“. Das Thema Diepgen schob der B.Z.-Chef gnädig an den Rand.

Schon immer haben die beiden fast täglich miteinander telefoniert, auch mit Senatssprecher Michael Butz (CDU) pflegt Gafron engsten Kontakt. Dieser direkte Durchgriff der CDU-Senatsspitze auf den redaktionellen Teil ist von der Springer-Konzernleitung gewollt: Erst Anfang des Jahres ersetzte sie den damaligen B.Z.-Chef Franz Josef Wagner durch Gafron. Im Nebenberuf blieb der Neue Herr über den Unionsfunk 100,6 und das Lokalfernsehen tv berlin.

Wagner findet zwar auch als Bild-Chefkolumnist Diepgen immer noch „supercool“. Doch in der Pressearithmetik des Bewunderten ist Bild genauso randständig wie die Welt. Der scheidende Bürgermeister glaubt nur an MoPo und B.Z. So kann sich Springers Überregionale bei aller Linientreue ein Mindestmaß an Differenziertheit leisten: Der neue Finanzskandal fand bei Bild nur auf der zweiten Seite statt – mit allen Verdächtigen, auch von der CDU. STEFFEN GRIMBERG

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