Bremen rutscht minus

■ Senat berät am Dienstag Haushaltsloch in Höhe von 310 Millionen Mark / Neue Kürzungen oder Schulden?

Im Landeshaushalt klafft derzeit für das laufende Jahr ein Loch in Höhe von rund 310 Millionen Mark. Das sind rund 90 Millionen Mark mehr als geplant. Das Defizit ist weiter steigend.

„Am Dienstag wird der Senat über die Mindereinnahmen beraten. Ob es einen Nachtragshaushalt geben wird, kann ich noch nicht sagen“, erklärte der Sprecher von Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU), Stefan Luft. Auf der Tagesordnung des Senats steht ausdrücklich, dass die Beschlussvorlage, aus der die genauen Zahlen hervorgehen, den Senatoren erst unmittelbar vor der Senatssitzung vorgelegt werden soll.

Die Haushaltsrisiken ergeben sich teils aus eigenem Verschulden des Bremer Senats, teils durch die abflauende Konjunktur in ganz Deutschland. Der größte Posten sind verminderte Steuereinnahmen. Nach der Steuerschätzung vom Mai erhöhen sich die Ausfälle um 30 auf 250 Millionen Mark gegenüber der früheren Planung.

Außerdem kommen durch das erhöhte Zinsniveau zusätzliche Belastungen in Höhe von 22 Millionen Mark auf das Land zu.

Zudem hatte der Finanzsenator 14 Millionen Mark Einnahmen aus einer „Straßenreinigungsgebühr“ eingeplant, die es aber bis heute nicht gibt.

Außerdem fehlen 11 Millionen Mark Zins- und Tilgungsrückflüsse aus Wohnungsbauhilfen. Weiterhin erwartet den Senat eine Nachforderung der Bremer Straßenbahn AG in Höhe von 10 Millionen Mark. Weitere Ausfälle ergeben sich aus nicht gezahlten Rückflüssen aus dem Stahlsektor. Finanzsprecher Luft konnte die einzelnen Posten nicht erklären.

Für die Lösung der Finanznöte geht Senator Perschau (CDU) auf volles Risiko, nämlich auf den Kreditmarkt. Dabei hofft er auf die Zusage von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), dass Ausfälle durch die Steuerreform ab dem Jahr 2005 ausgeglichen werden sollen. Ob Schröder dann noch Kanzler ist – und ob er sich dann noch an sein Versprechen erinnert, ist natürlich völlig ungewiss.

Außerdem will Perschau an der sogenannten „Planungsreserve“ aller Ressorts knabbern: Die entspricht fünf Prozent der laufenden konsumtiven Ausgaben quer durch alle Ressorts oder rund 100 Millionen Mark. Aber: Erstens reicht diese „Planungsreserve“ bei weitem nicht, um das Loch zu stopfen, zweitens ist die Summe weitgehend verplant.

Kürzungen drohen vor allem den Ressorts Kultur und Soziales, die ab Oktober möglicherweise ihre Zuschüsse an soziale Einrichtungen und Vereine einstellen müssen – jene Zuwendungen, die nur unter dem Vorbehalt eines entspannten Haushalts zugesagt wurden.

Um aus dem Finanzdilemma zu kommen, werden derzeit mehrere Möglichkeiten diskutiert: Einerseits der einfache, aber dem Sanierungsgedanken widerstrebende Weg der Kreditaufnahme – bis zur Ankunft der für das Jahr 2005 erwarteten Schröder-Milliarden. Andererseits die Begrenzung des geplanten Etatzuwachses.

Stieg der Haushalt des Jahres 2000 nur um 0,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr an, sollten es dieses Jahr 2,9 Prozent werden. Wenn Perschaus Überlegungen Wirklichkeit werden, wird der Haushaltszuwachs auf 1,5 Prozent begrenzt, alle Etatposten gedeckelt. Das heißt: Alle Ressorts werden zur Kasse gebeten.

Mit dem neuen Loch steigt die Deckungslücke des Etats auf 2,1 Milliarden Mark. Damit rückt das Ziel des Sanierungsprogramms und des Finanzsenators, ab dem Jahr 2005 einen verfassungskonformen Haushalt zustande zu bekommen, in weitere Ferne. Eine Bürgerschaftsabgordnete sagte gegenüber der taz, das jetzt klar gewordene Defizit habe „erschreckende Dimensionen“. ksc