piwik no script img

Rappende Molotowcocktails

Goethe, Kleist und Bullen-Bashing: Kann deutscher HipHop aus Berlin als Agitpropmaschine funktionieren? Die Ex-Punks von Department beleben auf ihrem Debüt „Brennstoff“ den revolutionären Kampf mit kranken Beats und kargen Scratches neu

von THOMAS WINKLER

Manchmal ist das Dasein als Revolutionär ganz angenehm. Auf der Kastanienallee spaziert der halbe Prenzlauer Berg, vor dem Schwarzsauer gibt es noch ein Plätzchen, und Danny Bruder blinzelt in die Sonne. „Ich bin ein Extremist“, sagt er und grinst zufrieden. Selbst in der eigenen Band ist seine Haltung umstritten. „Die anderen beiden sagen, ich sei zu radikal.“ Die anderen beiden heißen Kronstädter und Hinnack und sind Bruders Partner bei Department, der einzigen politischen HipHop-Combo Berlins.

Die strategischen Auseinandersetzungen innerhalb der Band ergaben trotzdem eine eindeutig politische Ausrichtung ihres Debütalbums „Brennstoff“. Da wird gerappt „Es lebe die Tat, wenn ihr nicht nur für Worte seid“, da fliegen „rap-mollies“, und da fordert man in den streng klein geschriebenen Linernotes „freiheit für die inhaftierten aus RAF & RZ“. Im linksradikalen Bauchladen sind zudem Kritik an TV und Internet, das heftigste Bullen-Bashing seit Slime und die Hinterfragung von Geschlechterrollen ebenso im Angebot wie eine Parodie auf die herkömmliche HipHop-Selbstbeweihräucherung.

Dieser Hang zur Politisiererei stößt die meisten HipHop-Headz traditionell ab, doch die Ablehnung beruht auf Gegenseitigkeit: Im Video zur Single „Besondere Kennzeichen: Keine“ stilisieren Department sich zu Rebellen in einem totalitären HipHop-Staat, in dem schon Babys mit schweren Goldketten behängt werden.

„Wir beanspruchen gar nicht, HipHop zu sein“, sagt Bruder, legt aber Wert darauf, sich bereits seit 1987 mit der Kultur zu beschäftigen. Seine musikalische Vergangenheit liegt jedoch im Punk: Bruder hat früher in den Crossover-Formationen Gunjah und CPS gespielt. Kronstädter war auf dem besten Wege zum Studiogitarristen und Hinnack etablierter Galerist. Der Zugang zum Sprechgesang kam bei Bruder eher durch Reimschmiede wie Schiller, Goethe und Kleist: „Ich steh tierisch auf Altdeutsch.“

Trotzdem beherrschen sie das gesamte Arsenal des HipHop: Altmodische Breakbeats mit kargen Scratches, kranke Beats in Timbaland-Manier, Wortklaubereien auf Weltniveau, geradeaus das Haus rocken, in R&B-Seligkeit schnulzen, zusammen mit H-Blockx den Heavy-Metal-Maxe machen und nebenbei noch einen Weltrekord an Interludes aufstellen. Darin werden alte Tracks verbraten und Beschimpfungen vom Anrufbeantworter, die alle möglichen Kritikpunkte von „Ausverkauf“ über „politische Naivität“ bis zu „fehlender Realness“ durchexerzieren.

Ganz schön clever, aber die Vorwürfe kommen natürlich trotzdem. In ihren Anfangstagen versprachen sie „Bomben ins Bewusstsein der Massen“ zu werfen, selber wechselten sie von einer Plattenfirma zur anderen und unterschrieben schließlich bei V2, der Firma des Modekapitalisten Richard Branson. „Plattenfirmen sind doch eh alle gleich“, wehrt sich Bruder. Tatsächlich aber trug V2 sogar die Idee mit, dem Album einen CD-Rohling beizulegen mitsamt der Aufforderung, die Platte massenhaft zu kopieren. Verhindert hat das dann nur der Bundesverband der phonographischen Wirtschaft. Fazit: „Wenn ich den Leuten meine Musik schenken will, dann darf ich das nicht.“

Aber natürlich sind Bruder, Kronstädter und Hinnack auch erst einmal Musiker. Neben Department nehmen sie Hörspiele auf, fertigen Remixe, produzieren andere, machen Radiosendungen und haben nicht zuletzt das Erben-der-Scherben-Projekt ins Leben gerufen. Dort versammelte man Nina Hagen, Blixa Bargeld oder Thomas D, um den Ton-Steine-Scherben-Klassiker „Keine Macht für Niemand“ neu aufzunehmen.

In alter Punkstrategie okkupieren sie nicht nur linke Traditionen, sondern auch widersprüchliche Zeichen. Im „Brennstoff“-Booklet ist Kronstädter im Brautkleid zu bewundern, und Bruder trägt Hitlerbärtchen und Benzinkanister mit rotem Stern. Doch kann es funktionieren, die Slime für die Spaßgeneration abgeben zu wollen? Wird das Anliegen nicht ausgedünnt, wenn die Beats zu flott sind? „Klar gibt es eine Kommerzialisierung von revolutionären Gedanken. Aber es ist doch immer noch besser, wenn die Jugend Che als Sexsymbol an der Wand hängen hat und nicht Adolf“, sagt Bruder, „und ein wenig Ideologie kommt dann doch noch rüber.“

Bruder weiß, dass sich seine Band mitten in den „Widersprüchen des Gesamtsystems“ befindet. Aber: „Alles ist politisch“, glaubt er, auch wenn nur ein „Wunder die Weltrevolution starten kann“. Vielleicht gerade deshalb ist die Reaktivierung des Gefühls Kreuzberg wieder reizvoll. Räterepublik, Enteignung der Konzerne und Abschaffung der parlamentarischen Demokratie sind so fern, dass sich friedlich in der Sonne ganz gefahrlos von ihnen träumen lässt.

Das Department: „Brennstoff“ (V2);heute ab 12 Uhr beim Mellowpark-Jam, Friedrichshagener Str. 11, Köpenick

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen