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Breuer verteilt Noten

Rolf Breuer, der Chef der Deutschen Bank, kritisiert scharf die Hochschulen. Abschlüsse seien kein Maßstab mehr

BERLIN taz ■ Eigentlich sollte es ein gesellschaftliches Ereignis werden. Die Alfred-Herrhausen-Gesellschaft der Deutschen Bank hatte zu einem Bildungsgipfel geladen. Man wollte mit reputierten Gästen wie dem Bundespräsidenten oder dem Cheftheoretiker des Dritten Weges, Anthony Giddens, über die „Orientierung für die Zukunft“ plaudern. Doch ehe die Gäste vor dem Pergamonmuseum Händels „Acis und Galatea“ sowei einer „Faust“-Rezitation lauschen durften, platzte dem Chef der zweitgrößten Bank der Welt der Kragen. Von der Grundschule bis zur Universität, so Rolf E. Breuers Urteil, ist deutsches Lernen nicht mehr wettbewerbsfähig.

So miserabel hat lange kein Banker mehr die Bildungseinrichtungen bewertet. Breuer sagte, sein international agierendes Institut habe seit längerem keine in Deutschland ausgebildeten Investmentbanker mehr eingestellt. Die deutschen Bewerber seien „ungeeigneter als jene, die in den USA oder London studiert haben.“ Selbst Singapur bringe bessere Leute hervor. Breuer wörtlich zum Firmenhauptsitz der Bank in Deutschland: „Ja, wir haben einen Standortnachteil.“ Insbesondere die universitäre Ausbildung bewertete er als schlecht. „Wir haben zu viele Studenten in zu vielen falschen Studiengängen“, monierte er. Der Bankchef kritisierte, dass das Studium hierzulande offenbar falsch strukturiert sei. Die Universitäten seien daher für Ausländer immer weniger interessant. „Wir sind nicht mehr attraktiv für junge Leute“, griff Breuer einen Aspekt auf, den Anthony Giddens zuvor als Wettbewerbs-Maßstab für die Hochschulsysteme genannt hatte: Ihre Anziehungskraft auf kosmopolitische Bildungseliten.

Am Mittwoch erst hatte die OECD ermittelt, dass Deutschland zu wenige Akademiker ausbilde. Das liege, so die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit, an der geringen Studienneigung (nur 28 Prozent eines Jahrgangs studieren) und der hohen Abbrecherquote in den Hochschulen. Dem setzte Breuer nun sein Güte-Verdikt hinzu: „Wenn es um Qualität geht, ist ein Studienabschluss an einer deutschen Universität kein Maßstab mehr.“ Daher kooperiere die Bank für ihre firmeninterne Online-Universität auch nicht mit einer deutschen Hochschule, sondern mit der Duke University in Durham (North Carolina, USA).

Für Breuer ist das Bildungs-Problem kein finanzielles. Es gehe in erster Linie um die Struktur der Bildungseinrichtungen und um die Aufmerksamkeit für gutes Lernen. Sein Institut sei vielfältig engagiert – etwa in der „Family Academy“ in Harlem, New York, oder mit hohen Zuschüssen an den Stifterverband der Deutschen Wissenschaft. Zahlen nannte Breuer vorsichtshalber keine – denn die sind kümmerlich. 5,7 Millionen Euro gibt die Bank jährlich für die Deutschen Hochschulen, weitere 1,1 Millionen Euro für die Uni Witten/Herdecke. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank hat eine Bilanzsumme von 940 Milliarden Euro. CHRISTIAN FÜLLER

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