: Soundcheck
Gehört: „Flash 2001“, Millerntorstadion. Das HipHop-Open-Air „Flash“ ist ein Event, bei dem sich schon 21-Jährige alt fühlen können. Das Publikum reicht von elf bis 19 Jahren, und alle die älter sind, scheinen entweder Pressekarten zu besitzen oder sie begleiten als tolerante Eltern ihre weit von der Volljährigkeit entfernten Kinder. „Für mich hört sich das alles wie ein Lied an“, sagt ein Vater, der auf den bald hereinbrechenden Regen hofft. Aus allen Ecken bläst einem der Geruch von Gras entgegen – wahrscheinlich ein Grund dafür, dass das Publikum lieber gemütlich in der Ecke chillt, anstatt auf die „Hamburg, was geht ab?“-Rufe von Breite Seite zu reagieren. Überhaupt lassen sich die Hamburger nicht wirklich beeindrucken von den Gästen aus Stuttgart. Als die Acts des Kopfni-cker-Labels spielen, sitzen immer noch viele auf dem abgedeckten Rasen und kiffen. Die Versuche von Skills en masse, das Publikum zu animieren, fruchten nur in den ersten drei Reihen. Mit dem Kopf genickt wird nur gemächlich.
Der gegen 17 Uhr einsetzende Regen hebt auf den überdachten Rängen die Klassengrenzen zwischen VIPs und normalem Publikum auf. Nach hilflosen Versuchen der Security – „Hey, hier dürft ihr nur mit Ausweis rein“ – bleibt ihr nichts anderes übrig, als vor dem Ansturm nasser Fans zu kapitulieren. Ausgerechnet bei Ferris MC scheint wieder die Sonne, und das Dreieck wippender Hände vor der Bühne vergößert sich im „Zeichen des Freaks“. Im Vergleich zu den wie Anfänger daherkommenden Kopfnickern prollt er sein Publikum routinierter an. Die Beats rollen und Ferris hat den deutlich besseren Flow.
Denyo 77 greift – mit vielköpfiger Liveband Minidisco – mit „Hammerhart“ auf einen Hit der Absoluten Beginner zurück. Die Zuschauer auf der Tribüne reißt auch das nicht von ihrem Sitzplatz. Irgendwann hat er die Schnauze voll: „Ihr schreit euch hier vorne heiser, und die Leute dahinten reagieren nicht. Jetzt dreht euch alle um und schreit Fuck You!“ Für das nächste Mal wird ein Akustikauftritt angekündigt: „Denyo hat keinen Bock auf die Technik“.
Fünf Sterne deluxe sind verdientermaßen Headliner, spielen ein wenig widerwillig auch „das Lieblingslied der Deutschen“ (Bo über seinen letztjährigen Chartserfolg „Türlich, türlich“) und ro-cken das Stadion – sogar etliche „Teetrinker“ bewegen sich nochmal von der Tribüne nach vorne.
Das Event endete in einem apokalyptischen Szenario. Am Himmel ziehen sich graue Wolken zusammen. Es stürmt und regnet. In den riesigen beleuchteten Werbe-Ballons eines Festivalsponsors geht das Licht aus, ein begehbarer aufgeblasener Würfel droht einzuknicken. Rechtzeitig, ehe die Zuschauer weggeweht werden, beendet der Zeitplan den Flash 2001. miso
Denyo 77 (oben), Kopfnicker Spezial (unten) Fotos: MIKA
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