: Money, Kunst, Theater
Auf dem Symposium „Von den Rändern her“ redeten sich TheatermacherInnen die Köpfe heiß ■ Von Christian T. Schön
Mehr als 30 Intendanten, GeschäftsführerInnen und KünstlerInnen aus großen und kleinen Theatern, freien und staatlich subventionierten Häusern, haben am vergangenen Wochenende auf der von Kampnagel und der Dramaturgischen Gesellschaft ausgerichteten Tagung „Von den Rändern her“ „über das spannungsvolle Verhältnis“ von freier und Stadt-, bzw. Staatstheaterproduktion diskutiert.
Die kleinen Häuser beklagen ihre chronische Unterfinanzierung. Detlef Schneider vom Festspielhaus Hellerau Dresden erinnern die Produktionsbedingungen in der freien Szene zunehmend an die einer Filmproduktion, wo Finanzierung und Produktionsteam für jeweils ein Projekt oder einen Zeitraum zusammengestellt werden. Damit – so waren sich die Diskutanten einig – seien sie flexibel und innovativ; und aus den Ergebnissen würden sich die progressiven großen Häuser dann nur noch die Rosinen herauspicken.
Zwar öffneten sich immer mehr Stadt- und Staatstheater für experimentelle Produktionsformen; einen gewagten Spagat zwischen Innovation und „Bevölkerungsversorgung“ würden dabei eigentlich nur die Stadttheater vollführen, deren Monopolstellung am Ort einem breiten Publikum gegenüberstehe. Natürlich, wenn Tom Stromberg auf dem Podium sitzt, geht es kurz um Publikumszahlen, aber dann, da ist man sich einig, wieder um Qualität. Stromberg: „Wir wollen alle Kunst machen und fühlen uns alle an den Rändern wohl.“ Gut gebrüllt, Löwe!
Etwas ab vom Thema, aber vielversprechend der Kurzvortrag von Prof. Hans-Thies Lehmann, Theaterwissenschaftler in Frankfurt: „Wie politisch ist das postdramatische Theater?“ Politik, sagt er, könne im Theater nur indirekt erscheinen, nicht in der Darstellung von Politik oder politisch Unterdrückten auf der Bühne. Politisches Theater funktioniere nur als Unterbrechung von Politik, von theatralen Regeln und theatraler Ästhetik. „Das Theater muss die moralische Falle vermeiden und darf die Sinne nicht für einen besseren politischen Standpunkt schärfen“ – sondern für den Diskurs und das Mitwirken an gesellschaftlichen Regeln.
Die anschließende Diskussion mit Franz Wille (theater heute) versackte jedoch schnell in einem Geplänkel, das Lehmann souverän beherrschte. Am Sonnabend dann endlich die lang erwarteten, konkreten Beiträge aus Sicht der KünstlerInnen und DramaturgInnen, die zwischen freien Produktionen und Produktionen an Stadt- und Staatstheater springen. Die meisten von ihnen haben mittlerweile ihre eigenen Lösungen und Strategien im Umgang mit starren Strukturen entwickelt; und bleiben wohl auch deshalb der freien Szene verhaftet – wie Sandra Strunz, die sie vorzieht, weil sie da weiß, „dass ich mit Leuten zusammenarbeite, die sich für mich, für die Inszenierung und die Produktion entschieden haben.“
Regisseur Matthias von Hartz, der mit Pussy Talk am Leipziger Schauspiel eine wahrlich Lehmannsche Unterbrechung verursachte, über seine Erfahrungen mit dem festen Ensemble des Hauses: „Ich wollte nur mit Leuten, die das Projekt interessiert, arbeiten.“ Die Besetzung habe aber dann der Intendant vorgenommen. „Außerdem haben wir mit einem Videokünstler gearbeitet, der wurde immer als ,Techniker' bezeichnet.“ „Das sind die Unterschiede, mit denen wir zu kämpfen haben,“ sagt er. „Aber wir müssen sie erkennen und damit umgehen. Die meisten Probleme, die wir haben, können wir lösen.“ – Doch als er das sagt, waren die Intendanten der großen Häuser schon wieder entschwunden. Die gute Nachricht: Geld scheint für diese souveränen Feldforscher nicht das vordergründigste Problem zu sein.
Theater als Forschungsraum stand auch im Mittelpunkt der Abschlussdiskussion. Für die Entwicklung neuer Arbeitsformen und -strukturen müsse Geld umverteilt werden; schließlich würden Unternehmen wie Daimler-Chrysler 15 bis 20 Prozent ihres Gewinns in Innovation reinvestieren, und, so resümierte der scheidende Kampnagel-Intendant Res Bossart für die freie Szene: „Wir müssten die Formel 1 des Theaters sein. Aber Formel 1 kostet Geld!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen