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Blasen im Kontinuum

Die Bahn setzt seit neuestem Geisterzüge ein: Eurocitys nach Kopenhagen halten in Lübeck, aber nicht im Fahrplan  ■ Von Gernot Knödler

LeserInnen von „Per Anhalter durch die Galaxis“ wissen es längst: Neben der Klimakatastrophe und dem Ozonloch drohen uns jetzt auch Blasen im Raum-Zeit-Kontinuum. Das ist der Fall, wenn Teile eines Parallel-Universums plötzlich in unserem Universum auftauchen, so wie sich zum Beispiel Mitte der 80er Jahre ein rotes Chesterfield-Sofa aus dem Nichts auf Lord's Cricket Ground in London materialisierte. Auf ein ähnliches Phänomen hat taz-Leser Uwe Mesterjahn hingewiesen.

Mesterjahn fiel auf, dass die Eurocity-Züge, die von Hamburg nach Kopenhagen fahren, zwar in Lübeck halten, dies aber weder übers Internet noch über den Abfahrtsplan im Hamburger Hauptbahnhof zu ermitteln ist. „Auf der DB-Strecke Hamburg-Lübeck fahren Geheimzüge“, war daher Mes-terjahns erste Vermutung. Der Mann muss es wissen, schließlich pendelt er fünfmal die Woche zwischen beiden Hansestädten.

Die These scheint auf den ersten Blick plausibel, denn wer sich beispielsweise übers Internet trickreich die Verbindung Hamburg – Oldenburg (Holst.) ausdrucken lässt, der erfährt, dass der Eurocity (EC) aber in Lübeck weiterfährt, um folgerichtig zwanzig Minuten später Oldenburg (Holst.) zu erreichen. Mysteriöserweise kommt er laut Fahrplan in Lübeck nie an.

Wie Mesterjahns wagemutigen Recherchen ergeben haben, hält jedoch der Zug de facto, also tatsächlich – meint: in dieser Welt – in Lübeck. Weil Fahrpläne der Deutschen Bahn immer stimmen, kann sich die taz den Vorfall nur mit den erwähnten Blasen im Raum-Zeit-Kontinuum erklären. Der Fahrplan wäre demnach nicht falsch, er stammte bloß aus einer Parallelwelt. Alternativ könnten auch die fehlenden Züge einer Parallelwelt entstammen.

Für völlig hergeholt halten wir die Erklärungsversuche von Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis: „Das war immer so“, versuchte sich dieser auf Nachfrage herauszureden. Diese Züge gehörten der dänischen Staatsbahn und seien, zumindest im Sommer, oft überfüllt. Verlängert werden könnten sie nicht, weil sie schließlich auf die Ostsee-Fähren passen müssten. Die Pendler sollten deshalb mit den „fast durchweg unbequemen“ (Mesterjahn) Regional-Expressen fahren. In diesem Fall wäre es „an der Bahn, dafür zu sorgen, dass der Zug lang genug ist“, kommentiert Mes-terjahn trocken.

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