: Der Sound goldgelber Misanthrophie
■ Lethargischer Indie-Country aus New Jersey: „Clem Snide“ im Knust
Eef Barzelay mag ein angenehmer Zeitgenosse sein, vielleicht ist er auch eine Nervensäge. Der 30-jährige Sänger und Songschreiber bezeichnet Interviews schonmal als „mein Highlight der Woche“ und gefällt sich ansonsten in ausgeprägter Lethargie. „Ich mache den ganzen Tag über nichts“, diktierte er einer deutschen Journalistin. „Einmal im Jahr habe ich eine Songschreiber-Phase, in der ich mir Geschichten ausdenke. Die dauert dann zwei Wochen.“
Ergebnis eines solchen Schubs war zuletzt Your Favorite Music, das zweite Album von Barzelays Band Clem Snide. Und weil es so schön nahe liegt: Auch in deren Musik findet eher ein Ereignis zu wenig statt als zu viel. Gemächlich dahinfließender, so genannter Alternative Country und misanthrophes Indie-Songwriting mit viel Zeit und luftigen Strukturen; Kontrabass, spartanisches Schlagzeug, Geigen, Twanggitarren und dazu Barzelays knarrend-brüchige Jungmänner-Stimme, mit der er altbekannt-rührige und ernsthaft befremdliche Geschichten aus den zwischenmenschlichen Kampfzonen erzählt. A propos: Um die Entstehung von Your Favorite Music spinnen sich irgendwie bekannte Geschichten von großen Budgets großer Plattenfirmen, deren Aufgekauftwerden und dem Verschwinden fertiger Tonträger in dunklen Schubladen.
Auf dem Cover stecken Barzelay und seine drei Mitmusiker in hellblauen Hochzeits- oder Casinoband-Outfits, umgeben von Wasser und goldgelbem Uferbewuchs, oder sie laufen vor schulterhohen Halmen eine Straße entlang, im Hintergrund Hochspannungsmasten und hässliche Wohnblocks. Denn Clem Snide kommen aus dem allenfalls boshaft „ländlich“ zu nennenden New Jersey, bei aller schnell assoziierten Landliebe und dem authentischen Duft der Depression; Zahlreiche „Klingt wie“-Referenzen zwischen Nick Drake und Hank Williams, Low und Palace eilen der Band voraus, wenn sie jetzt nach Europa kommt, ehe demnächst bereits ein weiteres Album fertiggestellt werden will – ein volles Programm für Eef Barzelay. HamburgerInnen sind im Vorteil: Die einzige deutsche Bühne, die Clem Snide jetzt betreten werden, ist die des hiesigen Knust.
Alexander Diehl
heute, 21 Uhr, Knust. taz hamburg-LeserInnen können dreimal zwei Karten gewinnen! Anrufen: heute, 14–14.30 Uhr, Tel. 040-389 017 40
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