piwik no script img

Vision, Fusion, Konfusion

Die konkurrierenden Berliner Stadtmagazine „Zitty“ (Holtzbrinck) und „Tip“ (Gruner + Jahr) könnten fusionieren. Munkelt man

von ARNO FRANK

Heiraten oder nur schmusen? Spekulationen gab es in den letzten Wochen zuhauf: Wird die defizitäre Berliner Zeitung (Gruner + Jahr) an den Holtzbrinck-Konzern verkauft, der schon den defizitären Tagesspiegel am Bein hat? Fusionieren die Blätter? Oder arbeiten sie einfach nur auf einer niedrigeren Ebene zusammen, im Vertrieb vielleicht? Wo doch in der Hauptstadt gespart werden muss. Und wo beide Parteien ein Eisen im Feuer haben: Holtzbrinck die Zitty und G + J den Tip.

Eifrig bis gereizt dementierten die Verantwortlichen, Gespräche „auf Verlagsebene zur Bewältigung der derzeit schwierigen Umsatzsituation“ wurden aber immerhin eingestanden. Dabei fiel das böse Wort vom „Kauf“ nur in Holtzbrincks Tagesspiegel, wo dessen Beirats-Vorsitzender Michael Grabner sagte, „gegen einen Kauf“ sprächen kartellrechtliche Gründe – andere offenbar nicht. Zumal beide Medienhäuser im Markt der Berliner Stadt-Illustrierten bereits kooperieren.

Dort konkurrieren Zitty und Tip mit Themen, Terminen und Trends um die Gunst der Leser und Anzeigenkunden. Mit schwindendem Erfolg: Vor sechs Jahren verkaufte Zitty noch rund 80.000 Exemplare, inzwischen sind es nur noch 60.000. Auch der Tip büßte Leser ein: 78.000 Hefte gehen monatlich über den Ladentisch, 1995 waren es noch 84.000.

Im Kampf gegen den Zitty-Leserschwund verschlissen sich in immer kürzeren Abständen die Chefredakteure. Nach dreijähriger Amtszeit wurde im September Kevin Cote abgelöst. Sein Nachfolger, Burkhard Riepenhoff, bastelt gerade an seiner letzten Ausgabe. Wegen „unterschiedlicher Auffassungen über die Heftführung“ verabschiedete man sich nach nur sechs Monaten.

Dabei war Riepenhoff, der zuvor bei der Hannoverschen Neuen Presse und den Potsdamer Neuesten Nachrichten (gehört auch Holtzbrinck) gearbeitet hatte, mit stimmigem Konzept und Tatendrang ans Werk gegangen, die linke Tante Zitty attraktiver zu gestalten. Den Themen Internet und New Economy wollte er mehr Raum geben. Aber auch politisch setzte er Akzente, holte den bissigen Berliner Radiomann Dietmar Wischmeyer als Kolumnisten und produzierte Titel wie „Diener der Macht – Heimliche Macher hinter den PolitikerInnen“.

Mehr Furore und vor allem Umsatz aber machte Riepenhoffs Tip-Konkurrent Karl Hermann mit boulevardesken Themen wie „Die 100 peinlichsten Berliner“.

Im Durchschnitt hat Zitty 55, der Tip 85 Anzeigenseiten – von der dort üblichen Verschränkung redaktioneller und gewerblicher Beiträge ganz zu schweigen. Scheiterte Riepenhoff, weil er auch Zitty in flachere Gewässer manövrieren wollte? Oder weil er sich gegen Holtzbrincks Absichten sträubte, eben dies zu tun? Aus der traditionell linken Kernredaktion war über „den Burkhard“ jedenfalls nichts Schlechtes zu hören. An der Redaktion lag’s also nicht, sagte Riepenhoff der taz, die sei „prima und stimmig“. Die Frage sei vielmehr gewesen, wohin Zitty langfristig zu steuern sei: „Was macht man mit dem Heft? Gestalten oder verwalten? Wer einen Maurer braucht, muss keinen Architekten bezahlen.“ Allein, es fehle an den Mitteln: „Stellen Sie eine Badewanne mit Geld in den Verlag, dann können wir wieder darüber reden.“ Offenbar hat Holtzbrinck den umtriebigen Chefredakteur auch deshalb hinauskomplimentiert, weil ohnehin über den Erwerb des Tageszeitungs-Portfolio von G + J verhandelt wurde.

Und weil der Tip bei G + J merkwürdigerweise unter „Zeitungen“ firmiert, würde er bei einem eventuellen Kauf im Paket mit der Berliner Zeitung an Holtzbrinck gehen. Für die kühl kalkulkierenden Strategen des Konzerns gäbe es damit keinen Grund mehr, zwei weitgehend komplementäre Stadtmagazine nebeneinander laufen zu lassen. „Sie brauchen eben keine zwei Redaktionen, in denen 18 Leute Termine und das Fernsehprogramm eintippen“, sagt Burkhard Riepenhoff.

Bei Joachim Meinhold, Geschäftsführer des Tagesspiegel, klingt die Sache schon anders: Zitty solle „eigenständig ausgebaut“ und auf ein „höheres Qualitätslevel“ gehoben werden. Ansonsten gebe es „gute gewachsene Beziehungen zwischen den beiden Häusern“, die man nicht stören wolle.

Bei seinem Antritt hatte Riepenhoff noch betont, die Zitty sei „sozusagen das Wohnzimmer der Leser. Und wenn man da einen Schrank verrücken will, sollte man sie vorher fragen, ob ihnen das recht ist“. Seit Neuestem steht im Zitty-Wohnzimmer nun ein Tip-Fernseher: Die Tip-Programmbeilage ist von Zitty schon mal übernommen worden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen