: Unterlegen, aber nicht verloren
Merkels Berliner-Rathaus-Favorit Schäuble von den Berlinern abgelehnt? Macht gar nichts, meint die CDU
Von einer Niederlage will der Bundesvorstand der CDU nichts wissen. Die Entscheidung der Berliner CDU, ihren Fraktionsvorsitzenden Frank Steffel ins Rennen um das Amt des Regierenden Bürgermeisters der Hauptstadt zu schicken, schädige laut Generalsekretär Laurenz Meyer die Führung der Bundespartei nicht.
Vor der Nominierung Steffels war der ehemalige Bundesvorsitzende Wolfgang Schäuble als nahezu sicherer Spitzenkandidat gehandelt worden – unterstützt vor allem von der Bundesvorsitzenden Angela Merkel. Im Berliner Landesverband gab es aber offenbar erhebliche Bedenken gegen die Kandidatur der CDU-Größe.
Bei der Entscheidung gegen Schäuble habe auch die Spendenaffäre eine Rolle gespielt, erklärte gestern Ingo Schmitt, Generalsekretär der Berliner CDU. Schäuble war im Februar letzten Jahres als Partei- und Fraktionsvorsitzender zurückgetreten, weil er eine 100.000-Mark-Spende angenommen haben soll. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt in dieser Angelegenheit gegen Schäuble wegen des Vorwurfs der uneidlichen Falschaussage.
Insbesondere die konservativen Kräfte der Berliner CDU hatten sich in den internen Diskussionen gegen einen Kandidaten-Import gewandt. Sie wollten unbedingt einen Berliner gegen den am Sonnabend mit den Stimmen von SPD, Grünen und PDS gewählten SPD-Mann Klaus Wowereit ins Rennen schicken. Außerdem, so erfuhr die taz aus CDU-Kreisen, sei Wolfgang Schäuble längst nicht so geeignet gewesen wie der 35 Jahre alte Steffel, den Berliner Christdemokraten ein entschlossenes und aggressives Image zu verschaffen und einen Neuanfang nach dem Bankenskandal zu symbolisieren.
Unter diesen Umständen hatte Schäuble offenbar eine Kandidatur abgelehnt und den Berliner Fraktionsvorsitzenden Steffel ermuntert, die nicht sehr aussichtsreiche Aufgabe zu übernehmen. „Beide waren zwar zu einer Kandidatur bereit, darum gerissen hat sich aber keiner“, beschreibt Monika Grütters, stellvertretende Fraktionsvorsitzende in Berlin, das Ringen um einen Kandidaten.
Die Kür Steffels und damit die Durchsetzung der Berliner gegen die Bundes-CDU wird bei den Sozialdemokraten hingegen mit Genugtuung aufgefasst: „Das ist eine Schlappe für Frau Merkel“, sagte gestern Steffels Wahlkampf-Kontrahent Wowereit. Es sei unglaublich, dass die Christdemokraten in der Hauptstadt glaubten, ohne die Hilfe der Bundespartei auskommen zu können. Ähnlich wertete dies auch SPD-Generalsekretär Franz Müntefering. Er sprach von einer „weiteren Niederlage“ für die CDU-Vorsitzende.
Die FDP nahm dagegen die Berliner CDU ins Visier. Hermann Otto Solms, früher Fraktionsvorsitzender der Liberalen im Bundestag, kritisierte das Verhalten gegenüber Schäuble. Das Verfahren sei „unter aller Sau“ und „menschlich“ inakzeptabel gewesen. DIRK HEMPEL
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