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„Wenig Aufmerksamkeit“

Horacio Serpa, aussichtsreicher Spitzenkandidat der Liberalen Partei Kolumbiens, über die internationale Gemeinschaft, den Krieg, den „Plan Colombia“ und seine Pläne als Präsident

Interview BERND PICKERT

taz: Wenn Sie in einem Jahr zum Präsidenten Kolumbiens gewählt werden sollten – welchen Anteil an der Macht haben Sie dann wirklich?

Serpa: Ich werde die Bedingungen schaffen, um das Gewaltmonopol des Staates wieder herzustellen und die Gerichtsbarkeit Kolumbiens wieder auf das gesamte Staatsgebiet auszudehnen. Und die Instrumente, die dem Staat zur Verfügung stehen, werde ich benutzen, um die wirtschaftliche Lage zu verbessern und soziale Gleichheit herzustellen.

Das hat 1998 auch der jetzige Präsident Pastrana versprochen. Warum ist es ihm nicht gelungen?

Weil er es nicht geschafft hat, die verschiedenen Interessen zusammenzubringen. Er hat auch kein besonderes ökonomisches Geschick bewiesen. Außerdem hat der Friedensprozess, den Pastrana guten Willens begonnen hat, noch keinerlei Resultate gebracht.

Was müsste denn heute geschehen, damit er in Gang kommt?

Es kann nur eine politische Lösung geben. Ich schlage einen „humanitären Pakt“ vor, auf dessen Grundlage weiter verhandelt werden muss, um den bewaffneten Konflikt zu deeskalieren.

Bis jetzt sind die rechten Paramilitärs, die für etliche Massaker an Zivilisten verantwortlich sind, an dem Friedensprozess nicht beteiligt. Muss man auch mit ihnen verhandeln?

Wenn man mit der Guerilla zu einem Friedensschluss kommen will, dann wird man irgendwann auch die Paramilitärs zu Gesprächen bitten müssen, damit auch sie darauf verzichten, politische Ziele mit Waffengewalt durchsetzen zu wollen.

Sind denn die Paramilitärs für Sie eine authentische Kraft oder eine Marionette der Militärs?

Sie sind eine autonome Kraft, sie haben eine eigene Befehlsstruktur und sind sehr stark geworden, ohne dass der Staat daran beteiligt gewesen wäre. Das heißt nicht, dass es nicht einzelne Personen gegeben haben mag, die sich ohne Genehmigung ihrer Institution bei den Paramilitärs engagiert hätten.

Welche Rolle haben die internationale Gemeinschaft und insbesondere die USA bei der Herbeiführung der jetzigen katastrophalen Lage in Kolumbien gespielt?

Die internationale Gemeinschaft hat dem Fall Kolumbien sehr wenig Beachtung geschenkt. Niemand hilft, eine Lösung zu finden. Dabei weist der Drogenhandel nicht nur Kolumbien Verantwortung zu. Immerhin werden die Drogen im Ausland gekauft und konsumiert, und auch die Chemikalien, die man zur Herstellung von Kokain und Heroin braucht, werden aus dem Ausland nach Kolumbien eingeführt. Die internationale Gemeinschaft schuldet Kolumbien die Zusammenarbeit.

Sehen Sie den vor allem von den USA finanzierten „Plan Colombia“ als Teil der Lösung oder als Teil des Problems?

Der Plan Colombia muss so verändert werden, dass an Stelle des bisherigen militärischen Schwerpunktes ein sozialer Schwerpunkt tritt. Es braucht Maßnahmen, die in Kolumbien Vertrauen und soziale Entwicklung schaffen und jene Bauern fördern, die nicht für den Drogenanbau arbeiten.

Und das könnte ein Präsident Serpa erreichen?

Jawohl, mein Herr.

Und wenn die USA als Hauptfinancier das nicht wollen?

Ich rede von internationaler Zusammenarbeit, nicht von Unterwerfung.

Sieht das der neue US-Präsident Bush auch so?

Ich habe bislang von Präsident Bush nur gehört, dass er an guten Beziehungen zu Lateinamerika interessiert ist und über effektive Zusammenarbeit das Beste erreichen will.

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