: „Man kann keine Prognose stellen“
Uli Stielike, Trainer der deutschen U20-Nationalmannschaft, stellt nach Ende der Vorrunde der WM in Argentinien fest: „Wir sind keine Mannschaft für die ersten drei Plätze.“ Was mit der labilen Psyche zu tun haben könnte, argwöhnt er
CÓRDOBA taz ■ Drittes Spiel, zweiter Sieg, diesmal mit 3:1 gegen den Irak: Die deutsche U20-Fußballnationalmannschaft hat bei der Weltmeisterschaft in Argentinien damit das Achtelfinale erreicht. Im Gespräch mit taz-Mitarbeiter Tobias Schächter zieht DFB-Trainer Uli Stielike Bilanz über die gerade zu Ende gegangene Vorrunde.
taz: Herr Stielike, spielerisch hat Ihr Team nicht eben geglänzt, aber dennoch gewonnen – taugt die Art, wie der 3:1-Sieg über den Irak zustande gekommen ist, ein bisschen auch als Motto Ihrer Mannschaft für die soeben zu Ende gegangene Vorrunde?
Uli Stielike: Man darf durchaus feststellen, dass wir gegen den Irak die schlechteste Leistung in der Vorrunde gebracht haben, selbst gegen Brasilien haben wir trotz der 0:2-Niederlage besser gespielt, zumindest in der zweiten Halbzeit. Spiegelbild war die Leistung heute sicherlich für die psychische Verfassung der Spieler.
Das heißt?
Tenor dessen, was ich nach dem Spiel in der Kabine gehört habe, war, dass meine Jungs Angst vor dem Debakel hatten, hier in der Vorrunde eben gegen den Irak auszuscheiden. Deshalb haben wir in der ersten Halbzeit bis zum Ausgleichstor sehr verkrampft gespielt. Wir hatten unheimlich viele Fehlpässe und haben uns dadurch immer wieder selbst unter Druck gesetzt.
Warum wirkt Ihre Mannschaft so nervös?
Ich weiß es nicht. Ich finde es aber auch ein gutes Zeichen, dass sich die Mannschaft selbst unter Druck setzt. Sie will erfolgreich sein – und durch den Einzug ins Achtelfinale haben wir ja jetzt einen Erfolg vorzuweisen, wie ihn eine deutsche U20-Auswahl bei einer WM seit 1987 nicht mehr hatte. Insofern ist das, was wir bis jetzt erreicht haben, nicht schlecht. Nur haben die Spieler vielleicht das Pech, dass ich ein Trainer bin, der auch die Art und Weise beurteilt und nach einem 3:1 gegen den Irak und dem Einzug ins Achtelfinale nicht sagt: „Jetzt ist alles in Butter“.
Sondern?
Ich denke schon an das nächste Spiel und weiß, dass dort mit einer solchen Leistung wie gegen den Irak Feierabend ist.
Sind sie denn von bestimmten Spielern besonders enttäuscht?
Ich mache keine Einzelkritik in der Zeitung. Positiv bin ich auf jeden Fall von Christoph Preuss überrascht. Er ist in diesen drei Spielen zur Persönlichkeit gereift. Er spielt nicht unter einem gewissen Niveau und hat als einer der wenigen seine Nerven im Griff. Und er kann die Mannschaft auch mal mitreißen. Solche Typen haben wir einfach zu wenig.
Was ist drin für Ihr Team bei dieser WM?
Die Mannschaft zeigt in einem Spiel viele verschiedene Gesichter, deshalb ist es schwer, eine klare Einschätzung zu geben. Wenn du ein bestimmtes Level hast, wie die Argentinier oder die Brasilianer zum Beispiel, kannst du die Leistung etwas klarer voraussagen. Bei uns aber ist das fast ein Ding der Unmöglichkeit. Wir sind sehr abhängig von der Tagesform und von unserem Nervenkostüm. Bei uns kann man keine Prognose stellen.
Was bedeutet das für den weiteren Turnierverlauf?
Ich hoffe, dass die Mannschaft mit dem Erreichen des Achtelfinals den Ballast abgeworfen hat und nun etwas befreiter aufspielt. Wir sind vom spielerischen Potenzial sicherlich keine Mannschaft für die ersten drei Plätze, aber wenn wir am Mittwoch einen guten Tag haben, können wir auch noch eine Runde weiterkommen.
Ab dem Achtelfinale geht’s im K.o.-System weiter. Wie wirkt sich das auf Ihre Taktik aus?
Schon das Spiel gegen den Irak hat gezeigt, dass wir keine Mannschaft sind, die auf Unentschieden spielt, obwohl uns ein solches zum Weiterkommen ja gereicht hätte. Das finde ich gut. Auch am Mittwoch muss eine Mannschaft auf dem Platz stehen, die gewinnen will.
Mit welchem Personal wollen Sie das schaffen?
Wir haben gegen den Irak so viele Mängel gesehen, da muss ich erst noch mal das Video des Spiels genau analysieren. Die Aufstellung gebe ich dann einen Tag vor der Partie bekannt. Heute schon fest steht aber, dass sich keiner in dem Glauben wiegen darf, er hätte seinen Platz schon sicher, bloß weil wir eine Runde weitergekommen sind.
Wie beurteilen Sie insgesamt das Niveau bei dieser WM?
Das ist schwer für mich zu sagen, weil wir hier von der WM so gut wie nichts mitbekommen. Das Turnier läuft, abgesehen von unserer Gruppe, praktisch an uns vorbei. Zumal wir im Hotel die Spiele noch nicht einmal im Fernsehen anschauen können, weil es keine Satellitenschüssel gibt. INTERVIEW: TOBIAS SCHÄCHTER
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