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Opfer misstrauisch

Zwangsarbeiter-Stiftung erhält Klagen über Partnerorganisationen, die Gelder vor Ort verteilen

BERLIN taz ■ Die Zwangsarbeiterfrage wird die deutsche Öffentlichkeit auch nach Beginn der Auszahlung an die Opfer beschäftigen. Die Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ erhalte viele Beschwerden über die Partnerorganisationen, die die Gelder vor Ort verteilen sollen, wie Günter Saathoff mitteilte. Als Generalbevollmächtigter der Stiftung ist der frühere Mitarbeiter der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen für die Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen zuständig.

Klagen gebe es vor allem über die ukrainische und die russische Stiftung, sagte Saathoff im Rahmen einer Podiumsdiskussion am Freitagabend in Berlin. So äußerten etwa frühere Zwangsarbeiter in Moldawien Misstrauen darüber, ob die für sie zuständige ukrainische Stiftung das Geld wie versprochen überweisen werde. Die Bundesstiftung habe daher zugestimmt, dass die Betroffenen ihre Anträge auch bei der Deutschen Botschaft in Chișinau abgeben können, so Saathoff.

In den vergangenen Tagen seien „harte Verhandlungen“ mit der russischen Regierung und den osteuropäischen Stiftungen nötig gewesen, um eine schnelle Auszahlung der Mittel sicherzustellen – ohne dass die Banken etwa mit den Geldern spekulierten, so Saathoff.

Wegen der monatelangen Verzögerung hätten viele frühere Zwangsarbeiter überhaupt keinen Antrag gestellt, da sie davon ausgegangen seien, nichts mehr zu bekommen.

Angesichts der Probleme der Opfer, schriftliche Dokumente für die geleistete Zwangsarbeit in Deutschland vorzulegen, sollten die Organisationen auch andere Hinweise als Belege akzeptieren. Nach Schätzungen fehlen jedem zweiten Antragsteller die laut Gesetz erforderlichen Nachweise. Den Klagen nach zu urteilen, so Saathoff, verhielten sich die nationalen Stiftungen teilweise „hartherziger“, als er sich erhofft habe.

Saathoff begrüßte die Verlängerung der Antragsfrist für die Zwangsarbeiter bis Jahresende. Er verwies jedoch darauf, dass die Verlängerung bei den polnischen und tschechischen Partnerorganisationen nicht unumstritten sei: Wegen des fortgeschrittenen Alters der Opfer wollten diese so schnell wie möglich mit der Auszahlung der zweiten Rate beginnen. Dies sei aber erst möglich, wenn alle Anträge eingegangen seien. Die Opfer in Polen und Tschechien erhalten zunächst 75 Prozent der vollen Entschädigungssumme.

PHILIPP GESSLER

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