: Krisengespräche auf dem Campingplatz
Hanno und Uli kitten ihre Ehe. Tochter Lisa sucht ihren ersten Freund. („Nur das Blaue vom Himmel“, ARD, 20.15 Uhr)
Wer macht heute eigentlich noch Campingurlaub? Juckelt mit seinem Caravan gen Süden, Gaskocher und Luftmatratze im Gepäck, und verbringt die schönsten Wochen des Jahres auf einem Stellplatz? Immer noch ziemlich viele. Allerdings sind die Massen, die sich jedes Jahr diesen besonderen Kick Entspannung gönnen, aus dem kollektiven Bewusstsein der Neuen Mitte verschwunden.
Auch im Fernsehen hat der Urlaub auf dem Campingplatz an Bedeutung verloren. Lediglich RTL2 wartet ab und zu noch mit einer Sommer-Reportage von deutschen Proll-Urlaubern in Südeuropa auf. Aber als Setting für Spielfilme haben Campingplätze ausgedient – jedes Stereotyp wurde bereits bedient, jedes Klischee unzählige Male ausgelutscht. So gähnt man schon vorher, wenn sich jetzt ein TV-Film damit beschäftigt.
Doch was sich Claudia Prietzel (die auch Regie führte) und Peter Henning ausgedacht haben, ist dann doch überrraschend: „Nur das Blaue vom Himmel“ erzählt die Geschichte einer auseinanderfallenden Familie. Hanno und Uli haben sich getrennt und ihre 14-jährige Tochter Lisa hat eigene Probleme – mit der Schule und den Jungs. „Komm mir ja nicht als Jungfrau zurück“, droht ihre Freundin, kurz bevor sich Lisa mit ihren Eltern und dem Wohnwagen in Bewegung setzt.
Hanno und Uli wollen nämlich beim gemeinsamer Urlaub ihre Liebe neu entfachen. Und so versuchen die beiden, die alten Gefühle noch einmal hervorzukramen. Und sei es in Form alter Tapes, auf denen Cyndi Lauper „Time after Time“ singt.
„Das hast du doch auch gemocht“, sagt Uli zu Hanno, als dieser die Augen verdreht. „Aber nur, weil du es gehört hast“, erwidert er und schmeißt irgendein Gitarrengeschrabbel ein. Schon da ahnt man, dass der Versöhnungsurlaub in einer ziemlichen Katastrophe enden wird. Davon unberührt, verfolgt Lisa ihr eigenes Projekt. Schnell hat sie das Objekt ihrer jungen Begierde ausgemacht: Leo, der sich mit seinem Bruder und einem Cousin ebenfalls auf dem Campingplatz eingefunden hat.
„Nur das Blaue vom Himmel“ ist eine Tragikomödie im besten Sinne; mit Schaupielern, die man gerne häufiger sehen möchte: Sven Walser und Beata Lehmann als Eltern und besonders Marie-Luise Schramm, die die pubertierende Lisa darstellt. Anrührend vor allem die Szenen, wenn Hanno und Uli für die drei Jungs plötzlich einen emotionalen Halt darstellen. All das entwickelt sich ganz langsam – ohne falsches Pathos oder billige Sentimentalität. Wenn Lisa am Schluss in Anspielung auf einen Sci-Fi-Helden sagt „Ich bin noch auf der Suche nach meiner Dimension“, dann weiß man, dass ein Urlaub auf dem Campingplatz ganz neue Einsichten vermitteln kann. THORSTEN PILZ
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