: Der Maulwurf im Deich
Bundeswehr-Rekruten übten gestern den Hochwassereinsatz beim Manöver „Sturmvogel 2001“ in den Vierlanden ■ Kai von Appen
Im Ernstfall wäre es eine mittlere Katastrophe gewesen, gestern nur eine kleine Panne, die niemand so recht interessierte: Erst mit Verspätung konnte die Hamburger Deichverteidigungsübung „Sturmvogel 2001“ beginnen, da eine Bundeswehrkompanie das kleine zu schützende Örtchen Oortkaten am Oberelbelauf nicht gleich gefunden hatte. „Wenn ihr gerufen werdet, sind wir und die Feuerwehr schon längst im Einsatz“, beruhigt Deichwart Günter Meyer die 130 Rekruten aus Bad Segeberg und Fischbek.
Denn die Bundeswehr ist im Hamburger Sturmflutkonzept erst in der Phase 3 eingeplant. Zunächst sind Feuerwehr und Polizei für die Deichsicherung in der Region zuständig, danach werden die Männer und Frauen vom Technischen Hilfswerk gerufen und erst dann – wenn das Wasser über die Deiche schwappt oder die Schutzwälle zu bröseln drohen – wird die Armee alarmiert. „Die Bundeswehr steht auf für solche Aufgaben bereit, wenn sie gebraucht wird“, prahlt Offizier Siegfried Monte. Er erinnert an das Hochwasser an der Oder. „Da waren 15.000 Mann im Einsatz.“
Trotzdem will auch Säckepa-cken gelernt sein, machen die Deichwächter beim Bau von so genannten Quellkaden klar. „Da soll doch kein Wasser mehr durchsickern“, sagt Meyer. Zunächst stapeln die Soldaten die Säcke in Querreihen, dann wieder in gerader Furche. Mit solchen Quellkaden werden Löcher in den Deichen notdürftig neutralisiert. „Wenn ein Maulwurf oder eine Ratte einen Tunnel gegraben hat, läuft da Wasser durch“, erklärt Meyer. Mit der Quellkade werde der Wasserstrom gestoppt und durch die Ansammlung „Gegendruck“ erzeugt. Meyer: „Damit wird der Deich vor der Ausschwemmung geschützt und es wird verhindert, dass die Deichkrone unterspült wird.“
Jeder Defekt braucht seine spezielle Methode. Oft werden die Deiche, die in den Jahren stetig verbreitert worden sind, um den Neigungswinkel flacher zu machen, auch durchnässt. Dann ist eine Deichfußsicherung angebracht, bei Unterspülungen sind Sandsackdämme notwendig.
Hochwasser an der Oberelbe sind nicht selten. „Das kommt hier öfter vor als am unteren Teil der Elbe“, warnt Meyer, „bei Regen, Schneeschmelze und starkem Wind wird es schnell brisant.“ Auch wegen der Schleusen verändert sich der Pegel oft rasant. Deichwart Ernst Witthöft erinnert sich noch an die große Flut 1961, als Wasser durch Löcher in die Vierlande schwappte: „Die Deiche selber haben aber standgehalten.“
Zum Schluss der Übung waren alle mit der Arbeit der Soldaten zufrieden, die kräftig ins Schwitzen gekommen waren. Meyer verspricht: „Sturmfluten sind meist nachts, da ist es nicht so heiß.“
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