: Hang zur Masseneifersucht
Mode, Business, Körper: Trendtagelöhner sehen in die Zukunft
Letztes Jahr prangte „das Phänomen der ‚Ich-AG‘ “ auf dem Programm des vom Hamburger Trendbüro veranstalteten fünften „Trendtages“. Kürzlich, berichtete Horizont, das Fachblatt für New Economy, Werbung, Medien und Schnickischnacki, bekakelte ein hoch kompetentes Podium dann bereits die nächste Stufe der „Marktwerdung des Menschen“ (Horst Tomayer): „die Zukunft des Selbstmarketings“.
Das hat uns gefreut. Wenn sich nichts entwickelt, herrscht Stillstand. Es muss vorwärts gehen und einen neuen Trend geben. Deshalb existiert Matthias Horx. Sein Trendbüro ist hervorragend.
Nun, was kam heraus auf und vielmehr aus dem von ihm ausgerichteten „6. Trendtag?“ Vorneweg wäre die Erkenntnis zu inhalieren, besser: zu „internalisieren“ (J. Habermas; fehlte unentschuldigt): „Sei du selbst!“ Selbstsein indes bedeutet übers bloße Sein des Selbst hinaus, so der dolle Kracher Norbert Bolz, seines ehrenwerten Abzeichens Professor für Kommunikationstheorie am Institut für Kunst- und Designwissenschaften an der Universität Essen: „Designe dich selbst!“ Dieses Erkennen der sphinxhaften Forderungen der Zeit spitzte der ausgezeichnete Geisteswissenschaftler aber sogleich zu dem Postulat zu, Selbst-Design, d. i. „Self-Design“, allein reiche längst nicht mehr; sondern müsse begriffen werden als „aktives Self-Design“, um aus der obsoleten 2000er „Ich-AG“ das 2001er Selfselbst eines oder einer sog. „People Brands“ zu formen.
Klare Worte. „Business wird zum Lebensstil. Wer diesen Spaß an der Arbeit hat, kann sich selbst am besten verwirklichen“, resümierte Adorno-Schüler Bolz, während Peter Wippermann, geschäftsführender Gesellschafter des Trendbüros und, aha, Professor für Kommunikationsdesign an der Universität Essen, die Konklusionen aufgriff und dergestalt pointierte, bald trügen die Self-Designer (früher: Menschen) implantierte Ketten und an den Body (Körper) angenähte Taschen, weil die „Mode“ (Bolz), folgend dem Weltgeistgesetz „Mode macht Märkte“, dem Modemächtigen jene herrliche Option des hautnahen „Körperkults“ vor- oder einschreibe. „Mode muss in Zukunft vor allem Selbstfindung ermöglichen“, hieß es, und Wippermann ergänzte: „Wir wollen unseren Körper wie eine Skulptur gestalten.“
Fehlte wer? Sloto Sloterdijk. Der ließ sich ebenfalls nicht lumpen noch zweimal fragen und arbeitete ein leicht poröses Referat zu einem aktuellen Statement um. „Seit zweihundert Jahren ist die Geschichte des Menschen“, hob er den wunderbar wurstig mahnenden Zeigefinger, „von Masseneifersucht geprägt. Der Wettbewerb um den Zugang zu Mitteln, die den Lebensstandard erhöhen, ist seit der Französischen Revolution der Kern unserer Geschichte.“ So weit das.
Zusammenfassung: Die outrierte Manipulationsthese (Adorno) ist definitiv vom Tisch der grauen Theorie. Es wird „alles extrem gut“ (N. Ruge d. Ä.). Die „Verführung der Konsumenten wird zur Herausforderung der Konsumgüterindustrie“ (Horizont). Der Homo sapiens, das „Luxuswesen“ (Sloterdijk), hat zwar „hohe Suchkosten“ (David Bosshart, Direktor des, es gibt das, Gottlieb Duttweiler Instituts) beim Selffinding zu gewärtigen, doch im Rahmen des Bolz-Bosshartschen und sloteresk-wippermännischen zweifachen Forderungskataloges „Be different“ und „Be relevant“ rekurriert „das Marktwesen Mensch“ (Ex-Reagan-Berater Francis „Das Ende der Geschichte“ Fukuyama) höchst selbstverständlich und höchstens selbstbewusst auf ein reichlich vorhandenes „Produkt, das im höchsten Maß emotional ist – Geld.“
Danke. Der nächste Artikel bitte. JÜRGEN ROTH
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