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Nur für Mädchen und Jungs

Das „Jetzt“-Magazin, Beilage und jugendlich-hippes Aushängeschild der „Süddeutschen Zeitung“, macht in letzter Zeit vor allem mit bräsig-altbackenem Rollenverständnis von sich reden

Wenn Jungs nicht gerade Fußball spielen, denken sie wahrscheinlich an Sex. Und wenn Mädchen nicht gerade mit anderen Mädchen über Pflegeprodukte reden, sind sie wahrscheinlich gerade bei H&M und shoppen. So oder so ähnlich liest sich das, wenn man im Jugendmagazin Jetzt die Kolumnen „Nur für Jungs“ und „Nur für Mädchen“ anschaut.

Sexuelle Klischees und stereotype Rollen

Jeden Montag erscheint Jetzt als Beilage der Süddeutschen Zeitung und wird von etwa 240.000 14- bis 29-Jährigen gelesen. Das Magazin, das man nicht mehr nur verschämt unter dem Tisch lesen muss, wie z. B. noch die Bravo, zeichnet sich durch ein in deutscher Medienlandschaft bemerkswert gutes Layout aus. Das Design ist modern, und die Bezüge zu britischen Zeitgeist-Zeitschriften unübersehbar. Der Titel scheint also durchaus gerechtfertigt.

Liest man allerdings die Artikel, so müsste es eigentlich „Früher“ heißen. Was in „Nur für Jungs“ und „Nur für Mädchen“ herauskommt, wenn angeblich die Gefühle und Gedanken des anderen Geschlechts erklärt werden sollen, sind nichts als heterosexuelle Klischees und stereotype Rollenzuschreibungen. Stil und Inhalt der Kolumnen sind nicht zufällig, sondern beabsichtigt. Was bedeutet es also, wenn es für Mädchen notwendig sein soll zu wissen, „...dass es manchmal besser ist, den Mund zu halten“ („Nur für Mädchen“ Heft 25), und dass sie ihre Boyfriends, wenn die nach dem Sex einpennen, „nicht dafür schimpfen“ dürfen, sondern „dafür loben, dass sie uns den Helden machen.“ („Nur für Mädchen“, Heft 17).

Für Grenzen aufbrechende Satire, für maßlose Übertreibung, die Klischees deutlich und gleichzeitig lächerlich machen soll, ist es nicht überzeichnet genug. Vielmehr scheint es darum zu gehen, Mädchen augenzwinkernd zu vermitteln, dass es auch in Ordnung oder sogar klug ist, sich unemanzipiert zu verhalten. Bei den Jungs ist es ähnlich: Es muss ihnen nicht peinlich sein, wenn sie „dauernd an Sex“ denken („Nur für Jungs“, Heft 14), aber unfähig sind, darüber freimütig reden.

Eigentlich ist das Jetzt so etwas wie ein gymnasialer Lad. Bei dem britischen Phänomen des „Ladism“ aus den Neunzigerjahren ging es darum, sich als Mann von der Bürde der „Political Correctness“ zu befreien. Männliche Essenz wurde in Form von Saufen, Ficken und Fußball definiert und abgefeiert und gleichzeitig zur ultimativen Hipness gemacht.

Wo Jungs noch echte Jungs sein dürfen

Obwohl das Aufbrechen rigider PC-Regeln nicht nur Männer aufatmen ließ, so machte es doch die Bahn frei für die Behauptung, Sexismus wäre Zeitgeist und kein Backlash, „gutes Recht“ von Männern, die lange genug unter dem Feminismus zu leiden hatten. Das konnte natürlich nur deswegen cool werden, weil es Spaß macht und „locker“ ist, sich nicht an die Konventionen zu halten. Und die Reduzierung auf das „Wesentliche“ ist unterhaltsam und beruhigend.

Bei Jetzt ist Jugend eine Zeit, in der Mädchen noch Mädchen und Jungs noch Jungs sein können. In der es nicht um DJs, sondern um „authentische“ Rockstars mit „ehrlichen“ Gitarren geht, und man nicht CDs brennt, sondern eine Leerkassette bespielt. Eigentlich der Lobgesang einer Jugend in den 80er-Jahren, eingefroren und vorgetragen mit dem neu gewonnenen männlichen „Selbstbewusstsein“ der Neunziger.

Die Mädchen/Jungs-Kolumne liegt den Machern des Jetzt aber nicht nur sehr am Herzen, sie benutzen sie neuerdings gleich als Aushängeschild für das ganze Magazin. Im aktuellen Heft 26 ist eine Anzeige für ein Jetzt-Abo, bei der als Abogeschenk ein T-Shirt lockt, auf dem „Nur für Jungs“ oder „Nur für Mädchen“ prangt. Was ist ein Junge, der ein Mädchen-T-Shirt haben möchte? Und was ein Mädchen, das nur für Mädchen da ist?

INA ROTTER

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