: Verwirrspiel um Stammzellen
Kieler Forscher plant den Import von embryonalen Stammzellen aus Australien
BERLIN taz ■ Der Import von embryonalen Stammzellen sorgt weiterhin für Zündstoff. Während die rot-grüne Regierungskoalition in Berlin noch um eine gemeinsame Position darüber ringt, ob die Einfuhr der Zelllinien auch künftig erlaubt sein soll, löste die Meldung, dass jetzt auch Kieler Forscher in die umstrittene Embryonenforschung einsteigen wollen, scharfe Kritik aus. Bisher war nur bekannt gewesen, dass der Bonner Neuropathologe Oliver Brüstle embryonale Stammzellen aus Israel einführen möchte.
Als „Rambo-Methoden“ bezeichnete CSU-Generalsekretär Thomas Göppel das Vorhaben des Kieler Biochemikers Stefan Rose-John, embryonale Stammzellen aus Australien zu importieren. Göppel bezog sich auf einen Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Diese meldete gestern, dass Rose-John mit der australischen Firma „ES Cell International“ die Lieferung der Zellinien bereits vertraglich vereinbart habe. Der Import „steht offenbar unmittelbar bevor“, hieß es in der FAZ.
Es gebe lediglich Planungen zu einer wissenschaftlichen Koopertion mit der australischen Firma, dementierte die Kieler Uni umgehend, man sei noch nicht in eine „konkrete Projektphase eingetreten“. Bevor dies geschehe, so versicherte die Uni, würde auch die Ethikkommission der Universität eine Stellungnahme abgeben müssen. Im Widerspruch dazu steht jedoch die Aussage einer Sprecherin von ES Cell International. Sie bestätigte in Melbourne, dass die Einfuhr einer Probe „in den nächsten Wochen“ bevorstehe.
Im Parlament ist man überrascht – und offenbar auch etwas verärgert über die Kieler Pläne. Vor allem die Koalitionsfraktionen werden dadurch zusätzlich unter Druck gesetzt. Denn während führende Sozialdemokraten, wie der Kanzler oder die Forschungsministerin, den Import erlauben wollen, sind viele SPD-Abgeordnete und die grüne Fraktion dagegen.
Bislang konnten sich SPD und Grüne noch nicht einmal darauf einigen, wie sie mit einem Antrag der Union umgehen sollen. Die hatte nämlich im Bundestag beantragt, den Import von Stammzellen vorläufig zu verbieten. Die Union hofft, damit Rot-Grün im Bund ähnlich zu spalten, wie es der FDP mit einem gegenläufigen Antrag in Nordrhein-Westfalen gelang. Bis nächste Woche nun wollen sich die Regierungsfraktionen auf ein Verfahren einigen.
Gestern einigten sich die federführenden Abgeordneten, Andrea Fischer (Grüne) und Margot von Renesse (SPD) immerhin darauf, dass man erst im Herbst über diese Frage entscheiden will. Doch selbst wenn sich Rot und Grüne im Herbst auf ein Verbot einigen, so ist das nach Einschätzung Fischers nur schwer durchzusetzen, schließlich sei die Forschungsfreiheit ein hohes Rechtsgut. Fischers Forderung ist trotzdem klar: „Die Forscher arbeiten ja nicht im luftleeren Raum“, sagte sie der taz. „Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass das Parlament sich dazu verhalten will – und eine Entscheidung abwarten.“
WOLFGANG LÖHR/ MATTHIAS URBACH
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