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Aufforderung zum Hinsehen

■ Ausstellung in der Ersten Etage in Eimsbüttel: Das kolumbianische Künstlerpaars Arturo Alape und Katia González

Genau das Blau ist es. Dieser aus sich heraus leuchtende Ton in der Stunde zwischen Tag und Nacht, der doch schon die eigene Vergänglichkeit in sich birgt, seltsam tröstend, alle Unbill des Tages aufsaugend, ausgleichend, löschend. Der Titel der schwangeren Frau in Blau wird überflüssig: „Anblick des hereinbrechenden Abends“ heißt – natürlich – dieses Bild in Mischtechnik des kolumbianischen Künstlers Arturo Alape. Der Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte und seine Lebensgefährtin Katia González, Malerin und Bildhauerin, präsentieren in der Ersten Etage in Eimsbüttel Auszüge aus ihren Werken: „Encuentros y rutas – Begegnungen und Wege“.

Nicht wegen ihrer Bilder mussten die beiden mit ihren Kindern die Hauptstadt Bogotá verlassen – Alape ist auch politischer Schriftsteller, Historiker und Journalist. Er setzt sich für den Friedensprozess in Kolumbien ein und hat eine zweibändige Biographie über den Anführer der linksgerichteten Farc-Guerilla, Manuel Marulanda, geschrieben. Dafür bedrohen ihn rechte Paramilitärs mit dem Tod: Nach dem ersten Band 1989 musste Alape nach Kuba fliehen, jetzt – nach dem zweiten – nach Deutschland (taz berichtete). Seine Bilder hat er mitgenommen.

Menschen hat er mitgenommen, in Serien: „Mulattinnen“, „Die Vetriebenen“, „Die Krieger“, „Die Umarmungen“. Menschen mit ihren Freuden, ihren Ängsten, ihren verborgenen Geheimnissen. Alapes Figuren erinnern an die Dichte Barlachs oder Käthe Kollwitz'. Und dann plötzlich wieder, wie beiläufig, sind die Bilder auch witzig: Wenn man genau hinsieht, erkennt man im Bauch der Schwangeren einen winzigen Taucher mit Flossen und Sauerstoffgerät.

Auch die Bilder von Katia Gonzáles verraten ihre Geheimnisse erst bei intensiver Betrachtung. Die Künstlerin arbeitet in einer experimentellen Mischtechnik mit Schulheften von Erstklässlern. „Wege“ heißt ihre Serie. Die Bilder sind wie Erinnerungen. Erst amorph und verschwommen; verharrt der Betrachter, nimmt er mehr und mehr Details in den Collagen wahr: Einen Steg an einem See, ein Vorhängeschloss, einen Satz, einen Zeitungsausschnitt. Oder sieht man nur, was man in den Formen sehen will? Die Details wiederum lösen eigene Erinnerungen aus. Schließlich wünscht man sich, so eine Collage mit Details aus der eigenen Kindheit zu besitzen. Leider sind von González nur sechs Bilder ausgestellt. Hungrig nach mehr bleibt man zurück. Heike Dierbach

mo–fr 10–16 Uhr, Erste Etage, Lutterothstr. 28e; bis 15.9.; Voranmeldung unter Tel.: 37 51 72 34

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