: Kein Platz in Mitte
Die Clubkultur macht sich gut in Tourismusbroschüren. Liebling von Politik und Immobilenbranche ist sie deswegen noch lange nicht. Auch die Ateliergemeinschaft Meinblau auf dem Pfefferberg-Gelände ist in ihrer Existenz bedroht
Berlin ist stolz auf seine Clubkultur; leicht aber haben die Clubs es beileibe nicht. So wird das Maria am Ostbahnhof voraussichtlich Ende Oktober schließen. Ebenfalls bedroht ist das Ostgut, das gerade erst durch die Feier der Siegessäule-Awards zu mehr als nur einem Club geworden ist: Es ist neues Zentrum der queeren Szene. Auch die Zukunft des Casino, das heute in unmittelbarer Nähe zum Ostgut liegt, ist ungewiss. Das Deli an der Schillingbrücke wird über kurz oder lang schließen, und auch der Status des Eimers ist noch lange nicht geklärt. Gleichfalls wird das WMF in der Ziegelstraße in absehbarer Zeit Büroräumen weichen müssen. Und der Tresor wirbt schon seit Jahren damit, dass der nächste Geburtstag wahrscheinlich der letzte ist.
Nun ist es nicht so, dass viele dieser Clubs nicht bereits daran gewöhnt sind, umzuziehen. Das Casino hat bereits dreimal, das WMF fünfmal den Ort gewechselt. Das Maria war auf einen befristeten Aufenthalt eingestellt, und auch andere Clubs rechnen damit, dass die von ihnen genutzten ehemaligen Fabrikations- oder Lagerhallen bald der Abrissbirne zum Opfer fallen.
Was jedoch auffällt, ist, wie sehr gerade auch die großen Clubs immer mehr von jenen, die von ihnen profitieren, an den Rand gedrängt werden. So lobt zwar ein bekannt schräger Vögel wie Volker Hassemer („Partner für Berlin“) permanent ihre Funktion für Mitte. Andererseits aber finden sich größere Clubs demnächst nicht mal mehr am Rand von Mitte. Sicherlich sind die meisten Clubs nicht unschuldig, da sie sich eine Duldungskultur gefallen lassen und der Immobilienlobby so lange die Orte attraktiv machen, bis zahlungskräftige Kunden am Boom teilhaben wollen. Hier ist, wie so oft, Entpolitisierung zu beklagen, denn jeder halbwegs politisch denkende Clubbetreiber weiß, dass Clubs – mit allen ihren Problemen wie Drogenmissbrauch und der Zerstörung jugendlicher Arbeitskraft – auch dann nicht zum Liebling der Politik werden, wenn sie sich ganz der clubkulturellen Selbstreferenzialität oder der Profitmaximierung verschreiben. Sie gelten der Politik trotz aller Beteuerungen noch immer als etwas reichlich Lästiges.
Ebenso wie den Clubs ergeht es aller nicht der Mainculture zuarbeitenden Kunst. So ist zum Beispiel, auch da verdunkelt der Schatten Landowskys die Welt, die kleine Ateliergemeinschaft Meinblau ebenfalls in ihrer Existenz bedroht. Das Meinblau auf der Rückseite des Pfefferbergs ist, wie viele gar nicht wissen, nicht nur die große Halle, die einst die Druckerei des Neuen Deutschlands war und Ort vieler Vernissagen. Sondern hinter der Halle liegen auch verschiedene kleinere und größere Atelierräume, in denen zurzeit zwölf Künstlerinnen und Künstler arbeiten. Deren Ateliers sind jetzt gefährdet. Man hat sich zwar mit dem Pfefferwerk, das das gesamte Gelände der ehemaligen Brauerei Pfeffer verwaltet, nach einigem Hin und Her einigen können, dem Meinblau die angestammten und nicht wenig öffentlichkeitswirksamen Räume zu einem bezahlbaren Preis zu überlassen. Doch das Meinblau muss dafür einen Teil der Renovierungskosten mit aufbringen. Da aufgrund ihrer verfahrenen Finanzsituation die Stadt nun damit droht, die Fördergelder für das Ateliersofortprogramm einzufrieren, ist das Meinblau insgesamt gefährdet. Denn die beiden anderen Förderer, das Efre-Förderprogramm der Europäischen Union einerseits und die am Fortbestand des Meinblau sehr interessierte Stiftung Pfefferwerk andererseits, machen ihre Förderung davon abhängig, ob es dem Meinblau gelingt, die gesamte benötigte Fördersumme aufzutreiben.
Nun kann man einwenden, angesichts der zu erwartenden scharfen Einschnitte ins Sozialnetz oder bei öffentlichen Institutionen wäre der Verlust von Ateliers doch eher zu verkraften. Doch auch die Kunst macht eine Stadt aus. Wenn man also das Geschick des Meinblau, das die Berliner Kunstlandschaft in den vier Jahren seiner Existenz nicht wenig bewegt hat, als ein symptomatisches nimmt – viele Ateliergemeinschaften befinden sich in einer ähnlich vertrackten Lage – dann findet sich genau wie für die Clubs auch für die Kunst der Substreams kaum noch Raum in Mitte. JÖRG SUNDERMEIER
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