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Keine Hektik, aber Zeitdruck

Der Nationale Ethikrat stellt den Zeitplan für seine Arbeit vor: Bis Dezember will er eine Stellungnahme zur Forschung mit embryonalen Stammzellen erarbeiten. Ethikrat-Chef Spiros Simitis betont aber: „Wir sind kein Entscheidungsgremium“

von LUKAS WALLRAFF

Der Nächste bitte: Genau dort, wo Rita Süssmuth vor ein paar Tagen die Ergebnisse ihrer Zuwanderungskommission präsentierte, saß gestern der Chef des Nationalen Ethikrats. Doch was Süssmuth schon hinter sich hat, steht Spiros Simitis noch bevor: Auch er leitet eine außerparlamentarische Expertenrunde, auch er soll im Auftrag des Kanzlers bei einem brenzligen Thema auf die Suche nach einem Konsens gehen: bei der Gentechnik.

Genau wie Süssmuth muss auch Simitis versuchen, in Ruhe über Fragen nachzudenken, die politisch heftig umstritten sind und zu denen sich parallel Hinz und Kunz öffentlich äußern. „Wir wünschen uns“, sagte Simitis gestern auf der Bundespressekonferenz, „dass es uns gelingt, aus der Diskussion etwas die Hektik herauszunehmen.“ Doch schon wenige Minuten später musste der 66-jährige Juraprofessor zugeben: „Wir sind unter Zeitdruck geraten.“

Bei der momentan meistdiskutierten Frage, ob deutsche Forscher embryonale Stammzellen importieren dürfen oder nicht, muss der Ethikrat bald eine Antwort finden – ob er will oder nicht. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft wartet nur noch bis Dezember, bis sie über die Förderung der Stammzellen-Forschung entscheidet. Die rot-grüne Koalition hat deshalb gerade erst angekündigt, dass sich der Bundestag „noch in diesem Jahr“ mit den Stammzellen befassen wird. Also versprach auch Simitis gestern, der Ethikrat werde „bis Dezember“ eine Stellungnahme abgeben. Wie diese ausfallen wird? „Das weiß ich nicht.“ Bei der ersten Arbeitssitzung am Freitag habe man „noch keine Positionen formuliert“. Das werde erst ab Ende September geschehen, wenn sich der Ethikrat das nächste Mal trifft. Es sei aber schon abzusehen, dass unter den Mitgliedern „sehr konträre Meinungen existieren“. Neben früheren Spitzenpolitikern wie Lothar Späth (CDU) und Hans-Jochen Vogel (SPD) gehören dem Gremium auch streitlustige Experten wie der Molekularbiologe Jens Reich und der Theologe Richard Schröder an.

Nicht nur die Politiker drängen. Simitis weiß, „dass die Technologie nicht stillsteht und auf uns wartet“. Und dass bei der Stammzellen-Forschung auch wirtschaftliche Interessen eine wichtige Rolle spielen, sei „überhaupt nicht zu bestreiten“.

Simitis bemühte sich gestern, die Rolle des Ethikrats bescheiden zu formulieren: „Wir sind kein Entscheidungsgremium.“ Über politisch umstrittene Fragen müsse allein die Politik entscheiden, „wir können nur Argumente aufgreifen, diskutieren und aufbereiten“.

Weil Kanzler Schröder den Ethikrat am Parlament vorbei installiert hatte, gab es schon im Vorfeld Kritik – von der Union, aber auch von Koalitionspolitikern, die in der Enquetekommission des Bundestags „Recht und Ethik in der modernen Medizin“ sitzen und sich übergangen fühlen. Simitis sprach sie direkt an: „Ich weiß, dass es auch andere Gremien gibt“, betonte er, „der Ethikrat erhebt nicht den Anspruch, besser zu wissen als andere, was passieren muss.“

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