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Der Rolls Royce unter den Rollern

■ Bremer StudentInnen spielen Realität: In Fantasiefirmen entwickeln sie – höchst reale – Traumroller. Dabei geriet einer schöner als derandere. Die Juroren verweigern jetzt die Bewertung. Eins haben die StudentInnen gelernt: Anarchie funktioniert nicht

Vor zehn Jahren war er mega-out, heute fährt vom Dreikäsehoch bis zum dauergestressten Manager jeder damit rum: der Tretroller, auf neudeutsch auch „Kickboard“ genannt. Das hat man auch an der Bremer Uni gemerkt – deshalb haben die Studenten solche Gefährte jetzt selbst gebaut.

„Weg von der grauen Theorie, studieren soll auch Spaß machen,“ meint dazu Gert Goch vom „Bremer Institut für Betriebstechnik und angewandte Arbeitswissenschaften“ (BIBA), einer der Leiter des Projekts. Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Produktionssysteme“ organisierten Studenten der Produktionstechnik und des Wirtschaftsingenieurwesens von der Planung bis zur Endmontage die Herstellung eines „Kickboards“ nach ihren eigenen Vorstellungen. Jede der fünf Gruppen gründete eine Fantasiefirma, der sie einen Namen samt Unternehmensstruktur gaben.

Die jungen Ingenieure entwarfen einen Roller mit allem Schnickschnack, entschieden über die Materialien und Herstellungsverfahren, kauften alles ein und gaben die Produktion der Einzelteile in Auftrag. Bei deren Anfertigung in der Fabrikhalle des BIBA schauten sie zu, wie die Teile entstanden. Dann überprüften die Nachwuchs-Ingenieure die Qualität und schraubten das Gefährt zusammen. Einfach war die Aufgabe nicht, jede Roller-Firma bestand aus etwa zwölf Mitarbeitern. Oft roch es nach Krach, jeder wollte ein anderes Kickboard. „Schwierig, so viele auf einen Nenner zu bringen,“ meinte Student Alexander Schacht.

Und auch die Vorgaben waren nicht immer einfach, grenzten bisweilen an Schikane: „Wir mussten ohne Schweißen arbeiten, deshalb haben die Dinger überall Schrauben,“ und auch sonst seien nur eingeschränkte Fertigungsverfahren erlaubt gewesen, erklärte ein Tüftler die Probleme. Außerdem durften sie nur 300 Mark für Materialien, die das BIBA nicht vorrätig hatte, ausgeben.

Die Ergebnisse, die die Teams gestern ihren KommilitonInnen und Professoren vorstellten, konnten sich aber durchaus sehen lassen: Ob komfortable Luftbereifung, extra-großes Trittbrett oder neunsprachige Bedienungsanleitung – die zukünftigen IngenieurInnen haben sich einiges einfallen lassen, um auch spezielleren Bedürfnissen gerecht zu werden.

Mindestens so speziell wie die Roller waren auch die ausgedachten Firmenstrukturen. Die Fantasiefirma „Scoony“ hatte sich an „dynamischen Strukturen“ versucht, sprich: Anarchie – und wünschte sich im Rückblick „bessere Organisation und einen Projektmanager“, denn so wäre „nicht so viel Zeit für Diskussionen“ draufgegangen. Der „Funtec“-Gruppe ging es genau umgekehrt. Trotz zweier „Chefs“ machten die Gruppentreffen nach eigenen Angaben „54 Prozent des Arbeitsaufwands“ aus und letztendlich „waren wir fast überflüssig, die Gruppe hätte auch ohne uns gut gearbeitet,“ gestanden die Ex-Möchtegern-Führungskräfte bei der Präsentation.

Die Bewertung der einzelnen Ergebnisse stellte die Leiter des Projekts dann aber vor kleine Schwierigkeiten: Sie waren von der Arbeit ihrer Schützlinge so begeistert, dass sie gar nicht mehr darüber urteilen wollten, welcher Roller nun der beste, schönste, schnellste, ausgefeilteste war. „Wir haben dann beschlossen, durch Namensgebung die Besonderheiten der einzelnen Produkte hervorzuheben,“ erklärte Gert Goch, „ein Roller hat eine verchromte Lenkerstange, den haben wir ,Harley' genannt, ein anderer, der sehr komfortabel ist, heißt jetzt ,Rolls Royce'“.

Vivien Mast

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